Rasenthema: September 2007
Autor: © Dipl. Agr. Biologe Martin Bocksch, Eltville
Pilze im Rasen ein natürliches Phänomen
Für jedermann sichtbar hat in diesen Tagen die Pilzsaison begonnen. Jetzt schießen sie wieder sprichwörtlich aus dem Boden. Aber woher kommen sie, wie konnten sie entstehen und wovon leben die Pilze im Rasen? Sind sie gefährlich? Sollte man sie bekämpfen?
Austernseitling, er lebt auf Holz, das sich im Boden verbirgt.
Viele Fragen vor einem ernsten Hintergrund. Die Zahl der Pilzvergiftungen hat in Deutschland drastisch zugenommen. Ursache dafür ist, dass wieder mehr Pilze gesammelt werden. Auch in den Städten wird gesammelt - und damit auch die Pilze auf den Rasenflächen in Stadtparks, auf Sportplätzen oder Friedhöfen. Diese sind jedoch oft weniger bekannt als die im Wald vorkommenden Arten und so wird leider auch bei unbekannten Arten zugegriffen.
Unter den zahlreichen Pilzen, die wir auf Rasenflächen finden, sind z.T. recht seltene Arten, wie die Liste der „Pilze des Jahres“ zeigt. Es gibt weit verbreitete und sehr gute Speisepilze und einige wenige giftige Pilzarten.
Nachdem der Sommer 2007 den meisten Regionen ausreichende Niederschläge beschert hat, gehen die Pilzexperten - bei anhaltender Witterung - von einer sehr guten Pilzsaison aus. Das heißt: auch auf Rasenflächen ist mit einem verstärkten Auftreten zu rechnen.
Was sind Pilze?
Jeder Gartenfreund weiß, dass Pilze Krankheiten an Gräsern und Pflanzen auslösen können. Doch um diese meist unsichtbaren, niederen Pilze soll es hier nicht gehen. Es sind die großen, mit sichtbaren, auffälligen Fruchtkörpern, die unser Interesse finden.
Pilze gehören zu den ältesten Organismen. Hyphen, Fäden aus der Aneinanderreihung einzelner Zellen, bilden ein dichtes Geflecht: das Mycel, den eigentlichen Pilz.
Dieses Mycell befindet sich im Boden bzw. in dem Medium, das vom Pilz besiedelt wird. Unter günstigen Bedingungen, feucht und warm, bilden sie verschieden gestaltete Fruchtkörper, die an der Oberfläche erscheinen und der Verbreitung der Pilze dienen.
Grundsätzlich können wir zwei Typen bei den Pilzen unterscheiden: die Ascomyceten und die Basidiomyceten, sie unterscheiden sich durch die Entstehung und den Ort der Sporenbildung. Bei den „Ascomyceten“ werden die Sporen in „Schläuchen“ (Asci) gebildet und bei den „Basidiomyceten“ stehen sie auf kleinen „Ständerchen“ (Basidien).
Das hat allerdings nichts mit dem Aussehen des Fruchtkörpers zu tun.
Der eigentliche Pilz, das Mycel im Boden also, kann zum Teil sehr alt werden.
Wie vermehren sich Pilze?
Pilze haben zwei Techniken für ihre Verbreitung entwickelt. Zum einen erschließt das wachsende Mycel immer neue Bereiche rund um den Standort an dem sich der Pilz erfolgreich etablieren konnte. Die andere Technik sind die von den Pilzen an den Fruchtkörpern gebildeten Sporen. Sie werden an die Luft abgegeben. Da sie extrem leicht sind, werden sie schon von kleinsten Luftbewegungen weit fortgetragen. Ihre Aufgabe ist daher die Erschließung neuen Lebensraumes.
Um möglichst viele bilden zu können, wurde die Fläche, an der die Sporen gebildet werden, insbesondere bei den Basidiomyceten, extrem vergrößert. Das geschieht durch die Lamellen oder Röhren oder zapfenartige Strukturen an der Unterseite der hut- oder konsolenförmigen Fruchtkörper.
Quelle: H. Jahn, 1979
Wovon leben Pilze?
Pilze besitzen kein Chlorophyll und können daher nicht durch Photosynthese energiereiche Kohlenstoffverbindungen bilden. Sie haben sich daher in der Regel darauf spezialisiert, vorhandene, organische Kohlenstoffverbindungen, die von Pflanzen oder in höherer Form von Tieren gebildet worden sind, zu verwerten. Bei diesem Abbau werden die Kohlenstoffmoleküle von den Pilzen für eigene Syntheseprozesse genutzt.
In der Regel besiedeln Pilze ausschließlich nicht belebtes Gewebe. Abgestorbenes Herbstlaub, totes Holz oder die Überreste von Rasengräsern, besser als Rasenfilz bekannt. Mit dem Abbau vorhandener Biomasse leisten die Pilze, neben Bakterien und anderen Kleinstlebewesen, einen wichtigen Beitrag zum Stoffkreislauf.
Aus dem Boden heraus werden die Substrate von Mycel durchwachsen und dabei langsam abgebaut. Rasenfilz, diese Mischung aus abgestorbenen Blättern, Trieben und Wurzeln der Gräser, ist ein idealer Nährboden für Pilze. Er ist in der Regel feucht (wichtig für das Pilzwachstum), leicht abbaubar und enthält neben den Kohlenstoffverbindungen auch viele weitere wichtige Nährstoffe.
Schädigen die Pilze den Rasen?
Diese Frage kann man relativ eindeutig mit einem Nein beantworten. Relativ deswegen, weil von den Pilzen Wirkungen ausgehen, die die Gräser und ihr Wachstum indirekt zum Teil ganz wesentlich beeinflussen.
Die Allermeisten haben aber überhaupt keinen Einfluss auf die lebenden Rasengräser. Von ihnen finden wir nur die Fruchtkörper zwischen den Gräsern.
Andere wiederum setzen bei den Abbauprozessen Stoffe frei - wie z.B. Stickstoff. Diese Stickstofffreisetzung aus der toten Grassubstanz übt auf die lebenden Gräser eine Düngewirkung aus. Im Bereich des aktiven Pilzwachstums, wo die Freisetzungen nur erfolgen können, ist daher oft ein verstärktes und dunkleres Gräserwachstum zu beobachten.
Die Hydrophobie des Mycels kann dazu führen, dass der gesamte Boden wasserabweisend wird. Im Extremfall - bei gleichzeitig ungünstigen Witterungsbedingungen (Trockenheit +Hitze) - kann es zum Absterben der Gräser durch vertrocknen führen.
Solange man sie einfach wachsen lässt, geht von den Fruchtkörpern keine Gefahr aus. Erst ein möglicher Verzehr macht sie gefährlich. Im Rasen selbst sind sie wohl eher als „Störungen“ des Idealbildes eines Rasens zu sehen. Durch regelmäßiges Entfernen der Fruchtkörper, durch Mähen oder Absuchen, können diese beseitigt werden.
Häufige Pilze im Rasen
Pilze, die wir auf Rasenflächen finden, müssen nicht unbedingt im Rasenfilz leben. Manche besiedeln totes Holz, das sich im Boden befindet und andere leben tatsächlich nur im Boden. Oft einhergehend mit einer symbiotischen Verbindung zu den Wurzeln der lebenden Rasengräser oder benachbarten Bäumen. Manche Pilze beeinflussen das Gräserwachstum, von anderen sieht man nur zeitweise Fruchtkörper im Rasen.
Zu den häufigsten und bekanntesten Pilzen im Rasen gehört der Feldegerling oder Wiesenchampignon (Agaricus campestris). Er hat keinen Einfluss auf das Gräserwachstum. Der schmackhafte Pilz hat einen weißen Hut unter dem sich zunächst rosafarbene und im älteren Zustand dunkel schokobraune Lamellen befinden.
Aber Vorsicht: der Champignon kann schnell mit dem Weißen (Amanita virosa) oder Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) verwechselt werden. Auch diese findet man auf Rasenflächen. Wichtigster und am einfachsten festzustellender Unterschied sind die stets rein weißen Lamellen beider Knollenblätterpilze. Beide sind tödlich giftig.
Häufig findet man im Rasen auch verschiedene Tintlinge. Jene Pilze, die zunächst recht schön aussehen, sich mit zunehmendem Alter aber langsam beginnen aufzulösen. Die schwarze „Flüssigkeit“ wurde früher zu einer Art Tinte verarbeitet, daher der Name. Unter den Tintlingen gibt es eine große Formenvielfalt: Große und sehr Kleine. Jung ist der Schopftintling (Coprinus comatus) ein guter Speisepilz. Unscheinbar, aber im Rasen häufig ist der Rad-Tintling (Coprinus plicatilis).
Weit verbreitet sind in Rasenflächen eine ganze Reihe kleiner Pilze. Sie sind in der Regel nicht genießbar. Dazu gehören beispielsweise verschiedene Düngerlinge, Nablinge und auch Schwindlinge.
Zu der zuletzt genannten Familie der Schwindlinge gehört auch der problematische Pilz in Rasenflächen, der Nelkenschwindling (Marasmius oreades). Er bildet jenes oben beschriebene wasserabstoßende Myzel und kann somit zum Vertrocknen der Gräser führen. Der Pilz hat einen hell ocker-braunen, 2 – 6 cm großen, oft runzeligen Hut und ist essbar.
Angeschnittener Bovist
Absterbender Tintling
Im Rasen findet man auch verschiedene Vertreter aus der Ordnung der Bauchpilze (Gasterales). Dazu gehören Hartboviste (Sclerodermataceae), Weichboviste (Lycoperdaceae) sowie die Gattung Bovist (Bovista) und Stäublinge (Lycoperdon). Zu letzteren gehört u.a. auch der bekannte, weiße Riesenbovist (Lycoperdon giganteum). Sie verbreiten ihre im Innern gebildeten Sporen durch eine mehr oder weniger große oberseitige Öffnung. Durch Wind oder andere äußere Einflüsse werden ganze Sporenwolken abgegeben.
Recht häufig sind in Rasenflächen aber auch Pilze mit Röhren auf der Unterseite zu finden. Fast alle diese Vertreter wie Maronenröhrling (Boletus badius), Butterpilz (Boletus luteus), Goldröhrling (Boletus grevillei, elegans) und andere mehr, benötigen zu ihrem Wachstum aber die Wurzeln der Bäume in der Nähe. Insbesondere verschiedene Nadelbaumarten und die Eichen sind wichtige Symbiosepartner für viele Pilze. Zu diesen gehört dazu auch der bekannte Fliegenpilz.
Eine ganz besondere Rolle nimmt eine Art der Gattung Kahlköpfe ein. Der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) enthält den halluzinogenen Wirkstoff Psilocybin. Die unscheinbaren Pilze werden daher von manchen als Naturdroge gegessen.
Alle Pilze, die in Rasenflächen vorkommen, können wir an dieser Stelle leider nicht vorstellen. Ist es unklar, welche Art man vor sich hat, sollte bei der Bestimmung ein Fachmann hinzugezogen werden. Werden die Pilze zum Verzehr gesammelt, gilt immer: Im Zweifelsfall lieber stehen lassen!!!
Was sind Hexenringe und wie entstehen sie?
Auffällig ist, dass die Fruchtkörper vieler Pilze (u.a. Wiesenchampignon, Knollenblätterpilz und Nelkenschwindling) in kreisrunder Anordnung erscheinen.
Nelkenschwindling (Marasmius oreades), eine mögliche Ursache für den Hexenring.
Genauso sieht man im Rasen häufiger bis zu mehrere Meter große Kreise bei denen das Gras stärker und dunkler wächst. Ursache dafür ist das Wachstum der Pilze. Diese wachsen von ihrem Entstehungspunkt aus nur nach außen. Im Inneren haben sie ihre Nahrungsgrundlage verbraucht. Dadurch kommt es zu einem ringförmigen Wachstum. Jedes Jahr wird der Ring etwas größer. Der Hexenring wurde im Mittelalter Feenring oder Elfengarten genannt. Während der Inquisition hat man den Hexenring als Begründung für die Verurteilung unerwünschter Personen, wie z.B. Hexen, missbraucht und der Ausdruck Elfengarten wurde in den Hexenring abgewandelt. Der Begriff hat sich bis heute in Deutschland gehalten. In England heißt er dagegen immer noch Fairy ring = Elfenring. Man hat in verschiedenen Regionen Europas und Südamerikas Hexenringe mit mehreren Kilometer Durchmesser gefunden. Diese Pilze sind viele 100 Jahre alt.
Pilzbekämpfung
Tauchen auf Rasenflächen Pilze auf, folgt oftmals gleich der Ruf nach ihrer Bekämpfung. Das ist jedoch kein einfaches Unterfangen. Chemische Mittel sind für diese Pilze nicht zugelassen. So bleibt in der Regel nichts anderes übrig als sich mit den Pilzen zu arrangieren, den Rasen in kürzeren Zeitabständen zu mähen und dabei auch die Fruchtkörper zu entfernen. In den Mähpausen können die Fruchtkörper zusätzlich mit einem Fächerrechen abgeharkt werden. Eventuell können mit höheren Nährstoffgaben die dunkleren Hexenringe kaschiert werden.
In bestehenden Rasenanlagen ist alles zu tun, was Rasenfilz vermeidet und abbaut, um dem Pilz die Nahrungsgrundlage zu entziehen. Durch Wassergaben bei lang anhaltender Trockenheit bleiben nicht nur die Gräser im Wachstum, sondern auch die filzabbauenden Bakterien arbeiten weiter.
Martin Bocksch, Unabhängiger Rasenberater, Eltville + Echterdingen
Literaturangaben:
Jahn H., 1979: Pilze rundum; Park-Verlag Hamburg; Reprint von Otto Koeltz Science Publishers, Königstein Lange J.E. u. M. Lange, 1977: PILZE – BLV Bestimmungsbuch; BLV Verlag München, Bern, Wien; 7. Auflage
NN, 1982: Wegweiser durch die Natur – Pilze Mitteleuropas; Verlag Das Beste Stuttgart-Zürich-Wien.