Rasenthema: Juni 2013
Autor: © Dr. Harald Nonn, Rasenforschung EUROGREEN
Mythen und Halbwahrheiten rund um den Rasen.
Wächst das Gras schneller, wenn man daran zieht?
Natürlich wächst das Gras nicht schneller, wenn man daran zieht. Man reißt es sehr wahrscheinlich ab und zerstört es. Doch trifft man immer wieder auf Aussagen und Regeln rund um den Rasen, die durch Wissenschaft und Praxis widerlegt sind und durch ständiges Wiederholen auch nicht an Richtigkeit zunehmen. Einige dieser „Mythen“ und Halbwahrheiten werden im Folgenden aufgegriffen und nach derzeitigem Wissensstand beleuchtet.
Rasensaatgut ist nach zwei Jahren nicht mehr keimfähig.
Grundsätzlich besitzt das in den Handel gelangende Saatgut per Gesetz vorgeschriebene, hohe Keimfähigkeiten. Alterungsbedingt nimmt bei Gräsersaatgut, wie bei jedem anderen Saatgut auch, die Keimfähigkeit über die Jahre ab. Diese Abnahme ist jedoch bei den Gräserarten unterschiedlich. Die Keimfähigkeit von Rispenarten wie Wiesenrispe (Poa pratensis) oder Lägerrispe (Poa supina) sowie von Deutschem Weidelgras (Lolium perenne) nimmt erfahrungsgemäß in den ersten fünf Jahren nach der Ernte langsam ab. Schwingelarten wie z. B. der Rotschwingel (Festuca rubra) verlieren etwas schneller ihre ursprünglich hohe Keimfähigkeit. Für die Praxis bedeutet dies, dass Gräsermischungen auch nach drei bis vier Jahren, nachdem sie in den Handel gelangt sind, immer noch eine erfolgreiche Ansaat oder Nachsaat ermöglichen. Schlechte Keimergebnisse oder Totalausfälle beruhen nahezu immer auf ungünstigen Keimbedingungen wie zu kalter, zu trockener, zu nasser Witterung oder schlechtem Bodenschluss.
Abb. 1: In die oberen 2 cm des Bodens eingemischtes Saatgut bringt das sicherste Keimergebnis.
Das Saatgut muss nach der Einsaat auf dem Boden angewalzt werden.
Ein guter Bodenkontakt des Samens fördert die zur Keimung erforderliche ausreichende und gleichmäßige Wasserversorgung. Ideal ist der Bodenkontakt, wenn der Samen von Bodenpartikeln umgeben ist. Dies wird mit dem flachen Einrechen des Saatgutes nach der Einsaat (ca. 1 bis 2 cm tief) erreicht. Das Saatgut liegt nun geschützt vor Abschwemmung, Vogelfraß und rascher Austrocknung im oberen Bodenhorizont und kann sicher keimen.
Diese Vorteile bestehen beim Anwalzen des ausgestreuten Saatgutes nicht. Hier liegt das Saatgut komplett an der Bodenoberfläche und ist dort der Witterung ungeschützt ausgesetzt. Das immer wieder angeführte Argument, dass der Boden rückverdichtet werden muss, gilt in diesem Zusammenhang auch nicht. Die Rückverdichtung des gelockerten Bodens muss vor der abschließenden Saatbettbereitung und Einsaat erfolgen.
Wenn ich dünge, muss ich öfter mähen.
Dichter, grüner Rasen kann nur mit wüchsigen Rasengräsern erreicht werden. Für die Bildung von Trieben, Blättern und Wurzeln benötigen die Gräser wie alle Pflanzen Nährstoffe, insbesondere Stickstoff. Die Nährstoffzufuhr über die Düngung fördert diese Stoffneubildung, die Grasblätter wachsen in die Höhe. Beim Mähen werden die Gräser wieder auf die gewünschte Höhe eingekürzt. Insofern stimmt die Aussage, dass nach dem Düngen häufiger gemäht werden muss, ohne Düngung ist aber der Rasen gelb, lückig und nicht belastbar.
Spezielle Rasenlangzeitdünger sind im Hinblick auf den Rasenaspekt so konzipiert, dass sie die Rasengräser mit allen erforderlichen Nährstoffen versorgen, gleichzeitig aber das Höhenwachstum nicht übermäßig fördern.
Abb. 2 :Rasengräser brauchen Nährstoffe. Gedüngter Rasen (links) im Vergleich zu hungerndem Rasen (rechts). (Foto: Dr. H. Nonn)
Der Dünger für meine Rabatten und mein Gemüse ist auch gut für meinen Rasen.
Rasengräser haben spezielle Nährstoffansprüche. Sie benötigen vor allem mehr Stickstoff als die übrigen Pflanzen. Dünger für Rabatten oder Gemüse enthalten relativ wenig Stickstoff und viel Phosphor und Kalium. Daher sind sie für den Rasen eher nicht geeignet.
Je tiefer ich mähe, umso weniger muss ich mähen.
Diese Schlussfolgerung ist falsch. Gräser benötigen für ihr Wachstum grüne Blätter. Die meisten und vor allem die fotosynthetisch aktiven Blätter sitzen im oberen Bereich des Grases. Je tiefer gemäht wird, desto mehr grüne Blätter werden dem Gras beim Schnitt entzogen, d.h. umso mehr (Über-)Lebensfläche wird entfernt. In diesem Zusammenhang gilt die „Drittel-Regel“, nach der beim Mähen nur etwa ein Drittel der Blattmasse auf einmal entfernt werden sollen. Dies bedeutet in der Praxis, dass bei geringer Schnitthöhe häufiger geschnitten werden muss.
Zwei Bespiele analog dieser Regel:
3 cm Schnitthöhe bedeutet Mähen bei 4,5 cm Aufwuchshöhe.
4 cm Schnitthöhe bedeutet Mähen bei 6 cm Aufwuchshöhe, somit hat das Gras mehr Wachstumszeit bis zum nächsten Schnitt.
Abb. 3: Die „Drittel-Regel“ verringert den Mähstress für die Gräser. Abbildung aus aid-Broschüre „Rasen anlegen und pflegen.“ (Foto: Dr. H. Nonn)
Der letzte Schnitt erfolgt im Oktober.
Solange der Rasen wächst, sollte er auf die gewünschte Schnitthöhe gemäht werden. Daher wird der Rasen während der Vegetationszeit von Wachstumsbeginn bis zum Wachstumsende regelmäßig gemäht. Das Wachstumsende richtet sich nicht nach dem Kalender sondern nach den Witterungsbedingungen. Diese schwanken von Jahr zu Jahr und je nach Region. Deshalb ist eine generelle Aussage, wann der letzte Schnitt des Rasens im Jahr erfolgen soll, fachlich schwierig.
Im Frühjahr muss der Rasen vertikutiert werden.
Das Vertikutieren soll überschüssige organische Substanz (Rasenfilz) oder abgestorbenes Pflanzenmaterial aus dem Rasen entfernen. Rasen, der keinen Rasenfilz aufweist bzw. grün und dicht ist, braucht diese Bearbeitungsmaßnahme nicht. Vielmehr hinterlässt das Vertikutieren Schäden und Lücken an den Gräsern, die den Rasenaspekt verschlechtern.
Daher folgende Regel zum Vertikutieren:
Rasen im Frühjahr mit Rasendünger düngen. Nach dem zweiten Schnitt Rasenfilz/abgestorbene Gräser mit dem Vertikutierer entfernen. Größere Kahlstellen nachsäen.
Rasen muss jedes Jahr gekalkt werden.
Kalk, genauer gesagt Calcium, ist ein wichtiger Pflanzennährstoff. Außerdem bestimmt der Gehalt an Calcium viele Bodeneigenschaften wie z. B. die Aggregatbildung und beeinflusst maßgeblich den pH-Wert (Bodenreaktion). Zu viel Calcium im Boden erhöht den pH-Wert zu stark und reduziert die Verfügbarkeit der Nährstoffe. Calciumgaben sollten daher nur dann erfolgen, wenn der pH-Wert des Bodens zu niedrig (< pH 5,5) ist. Der pH-Wert muss dazu mit geeigneten Schnelltests oder im Labor (z.B. LUFA) bestimmt werden.
Die große Erde bedarf, um gastlich zu sein, der Hilfe des winzigen Grases.
(Sir Rabindranath Tagore, ind. Philosoph, 1861-1941).
Quelle. www.zitate.eu