RASENTHEMEN SEIT 1999

Rasenthema: Februar 2013

Autor: © M. Sc. Agr. Matthäus Wagner, JULIWA-HESA GmbH, Heidelberg

 

Gräser - Züchtung - Rasen

„Um zur Aussaat den besten Samen zu haben, drischt man die schönsten Ähren für sich.“
Nach Marcus Terentius Varro (116 bis 27 v. Chr.).

Der Begriff „Rasen“ wird vom mittelhochdeutschen „wase“ abgeleitet. Rasen im weitesten Sinne bedeckt ca. 5 % der Landfläche Deutschlands. Die verschiedenen Rasentypen erfüllen hierbei verschiedene wirtschaftliche, ökologische, aber auch regenerative und ästhetische Funktionen.

 

Eignungsprüfung verschiedener Gräsersorten auf Rasennutzung.
Abb. 1: Eignungsprüfung verschiedener Gräsersorten auf Rasennutzung.

 

Rasen – damals, eine historische Betrachtung nach KAUTER (2002)

Bereits seit dem Altertum sind große, zumeist baumbestandene Aufmarschplätze, Märkte und Festwiesen überliefert und stellen somit die Urformen einer menschengemachten und außerhalb der Landwirtschaft nutzbaren Vegetationsform aus kurzgehaltenen Gräsern (und Kräutern) dar. In den mittelalterlichen höfischen und klösterlichen Gartenanlagen waren kleinere, in sich geschlossene Teilgärten bzw. Rasenbänke zum Verweilen und Lagern ein wichtiges Gestaltungselement.

Im Verlauf der Epochen wurde Rasen je nach Mode verschiedenartige Zuwendung zuteil. So erwuchs in der Renaissance (14.JH) das allgemeine Interesse an geometrisch durchgestalteten Gesamtgärten und an Gesellschaftsspielen auf Grünflächen.
Infolge dessen wurde die Gartenkunst – u.a. die Anlage und Erhaltung von Rasenflächen weiter entwickelt.
Erste Rasen-Ballspiele (Bowling, Kricket, eine Art Tennis, eine Frühform von Volleyball und Golf) kamen vor allem in England auf sogenannten „pleasure grounds“ in Mode und verbreiteten sich auch auf dem europäischen Kontinent (Boule, Boccia).

Die verschiedenen ästhetischen Gartenteile wie Kamillenrasen, Lustgärten und „pleasure grounds“ wurden spätestens im Barock zu einem großen Gesamtkunstwerk (Landschaftsgärten) zusammengefasst.
Die Rasenpflege (Bodenvorbereitung, Grunddüngung mit Tauben- oder Hühnermist, Unkrautbekämpfung mit Heißwasser, Sodenverpflanzung und Sichelschnitt) erreichte ein beachtliches Niveau. Dennoch wurden immer noch überwiegend „Heusamen“ oder bestenfalls Sodenverpflanzungen zur Anlage einer Rasenfläche eingesetzt. Ebenso wurden natürliche Hutungsflächen durch Jäten und Beweidung mit Schafen zu Rasen überführt.

Erst ab dem 19. Jahrhundert erfolgten grundlegende agrarwissenschaftliche Versuche und Aufgabenstellungen mit Vorfrüchten, Ansaatterminen, Unkrautbekämpfung und Düngung sowie erste maschinelle Pflegemaßnahmen. Samenschneider und Händler traten in Erscheinung, die verschiedene „wertvolle und ansaatwürdige Arten“ erzeugten und aufbereiteten. Hauptproblempunkt war damals sicherlich die mangelnde Persistenz (Dauerhaftigkeit) einer Rasenfläche.

 

Züchtung – heute, die wichtigsten Schritte

Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts findet eine spezielle Züchtung von Futtersorten bis hin zu Rasengräsersorten statt. Dabei werden hauptsächlich folgende die Arten züchterisch bearbeitet:

  • Ausdauerndes (Deutsches) Weidelgras (Lolium perenne),
  • Rotschwingel (Festuca sp./ssp.) und die
  • Wiesenrispe (Poa pratensis)

Ferner werden Rohrschwingel, Schafschwingel, Straußgräser und andere Arten für die Rasennutzung optimiert.

 

Einzelrasengräser im Zuchtgarten.
Abb. 2: Einzelrasengräser im Zuchtgarten.

 

Gräserzüchtung ist damals wie heute eine Selektions-, Auslesezüchtung aus Einzelpflanzen und deren kontrollierte Vermehrung. Gentechnische Verfahren werden in Europa nicht angewendet.
Im eigentlichen Züchtungsprozess unterscheidet man die Fremdbefruchter (Weidelgräser, Schwingel und die meisten anderen Arten) und Selbstbefruchter wie z.B. die Wiesenrispe, welche ohne den Pollen einer fremden Pflanze fertile (keimfähige) Samen (Früchte) bilden kann.

Geeignete Fremdbefruchter werden aus Einzelpflanzenanlagen entnommen und im Sinne der Gleichheit in mehrere Sprossteile (= identische Pflanzen) geteilt. Diese „Klone“ bilden die Grundkomponenten einer sogenannten synthetischen Sorte und werden zur weiteren Beobachtung in Reihe gepflanzt. Hierbei wird auf einen möglichst gleichmäßigen Phänotyp (Aussehen) geachtet. Aussichtsreiche und ähnliche Klone werden anschließend in sogenannten „Polycrossen“ zusammengepflanzt und sollen dort gemeinsam abblühen. Durch die äußerliche Ähnlichkeit der Einzelpflanzen bleibt auch bei der Fremdbefruchtung die Homogenität innerhalb des Bestandes möglichst erhalten. Die Einflüsse fremder Pollen werden durch die Pflanzung der „Polycrosse“ in großen und hohen Roggenfeldern minimiert. Abschließend werden die einzelnen Klone getrennt beerntet und jeweils erste Rasenprüfungen vollzogen. Parallel dazu werden die Klone vegetativ erhalten bzw. vermehrt.

Die Selbstbefruchtung als stärkste Form der Inzucht führt rasch zu einer Zunahme der Homozygotie (Reinerbigkeit). Bei der Wiesenrispe werden hierbei die besten Einzelpflanzen entnommen und als Grundlage für sogenannte Stämme angelegt. Nur die besten und homogensten Stämme gehen nach mehrjähriger Selektion abschließend in die ersten Rasenprüfungen. Nach der Auswertung und Zulassung zur offiziellen Sortenprüfung erfolgt parallel dazu eine Saatgutvermehrung.

Am Ende von fünf bis neun Jahren werden die für die Rasennutzung am geeignetsten erscheinenden Sorten zur offiziellen Sortenprüfung (Ansaatjahr + 2 Prüfjahre) beim Bundessortenamt  angemeldet.

Um Züchtungsziele (besonders Resistenzen) in möglichst frühen Stadien der Züchtung festzustellen, werden aktuell immer häufiger molekularbiologische Techniken (Screenings) mit verschiedenen Krankheitserregern vorgenommen.
Weitere wichtige Kriterien in der Züchtung sind:

  • Wuchsform, Narbendichte und geringe Wuchshöhe;
  • Belastbarkeit, Ausdauer und Regenerationsvermögen;
  • Blattfeinheit und Blattfarbe (Sommer/Winter);
  • Keimfähigkeit und schnelle Bestandesentwicklung;
  • Krankheits- und Trockenheitstoleranz;
  • Homogenität und Unterscheidbarkeit.

Nach offizieller Sortenprüfung (Homogenität, Unterscheidbarkeit und Eignung in den verschiedenen Rasentypen) an mehreren Standorten werden die neuen Sorten in der „Beschreibenden Sortenliste – Rasengräser“ aufgenommen. Bei Erreichen der geforderten Mindesteignung erfolgt gleichzeitig eine Aufnahme als RSM-Sorte und der Züchtungsprozess ist nach ca. 12-15 Jahren abgeschlossen.


Literatur:
BECKER, H., 2011: Pflanzenzüchtung; UTB, Stuttgart.
BUNDESSORTENAMT, 2010: Beschreibende Sortenliste 2010 Rasengräser. www.bundessortenamt.de/internet30/fileadmin/Files/PDF/bsl_rasengraeser_2010.pdf
FLL, 2013: Regel-Saatgut-Mischungen Rasen RSM 2013.
KAUTER, D., 2002: Entwicklung der Rasenkultur in Mitteleuropa, Rasen - Turf - Gazon 2/2002:

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