Rasenthema: Dezember 2006
Autor: ©Dr. agr. Harald Nonn, Rasenforschung WOLF-Garten/EUROGREEN
Sportplatzbeläge - Die Qual der Wahl
Im September 2006 wurde an gleicher Stelle die neu erschienene Broschüre „Sportrasen – Der natürliche Sportplatzbelag“ vorgestellt. Dieser Argumentationsleitfaden, der von den vier Fachverbänden im Sportplatzbau BGL, FLSF, GGT und DRG erstellt wurde, erleichtert den Entscheidern in Kommunen und Vereinen aber auch Politikern und Planern die Belagswahl bei Freisportanlagen. Die Broschüre biete eine neutral gehaltene, fachlich fundierte Argumentationshilfe zu den in den letzten Jahren häufig tendenziell einseitigen Aussagen der Kunstrasenhersteller bzw. Kunstrasenbefürworter.
Die kurze, prägnante Darstellung der wesentlichen Entscheidungskriterien regt zum Lesen des Leitfadens an und verschafft mit wenig Zeitaufwand einen guten Überblick über die Thematik. Die Reaktionen zu Umfang und Inhalt der Broschüre sind durchweg positiv.
In einer übersichtlichen Checkliste sind die wesentlichen Kriterien aufgeführt, die für die Auswahl des Belags entscheidend sind. Hier kann je nach individueller Sachlage und Einschätzung jedem Kriterium eine Note zugeordnet werden. Diese wird dann entsprechend der Wichtigkeit des Teilkriteriums mit einem Faktor gewichtet. Die Belagsart mit der niedrigsten Punktzahl ist gegenüber den anderen Belägen zu favorisieren. Die einfache Handhabung dieser Checkliste soll nachfolgend an zwei praxisnahen Beispielen verdeutlicht werden:
Beispiel 1: Ausgangssituation
In einer Gemeinde mit 1.700 Einwohnern gibt es einen Fußballverein mit 2 Senioren- und 6 Jugendmannschaften. Der bestehende Tennensportplatz (Baujahr 1983), der vom Verein gepflegt wird, muss dringend saniert werden. Alternativ zur Renovation der Tennendecke ist angedacht, den Platz mit einem anderen Belag zu versehen. Um eine erste Einschätzung über den am besten geeigneten Belag zu erhalten, wird anhand der Checkliste eine Bewertung der Belagskriterien durchgeführt.
* Punkte = Gewichtung x Note
Erläuterungen zur Note:
0 = keine, trifft nicht zu, 1 = gering, niedrig, 2 = mittel, 3 = hoch , 4 = sehr hoch
Je niedriger die Summe der Punkte, desto geeigneter ist die Belagsart unter den gegebenen Voraussetzungen
- Kategorie Kosten
Im vorliegenden Fall sind die Baukosten für einen Umbau des Tennenplatzes in einen Rasenplatz nur unwesentlich höher als für die Renovierung des Tennenplatzes. Die Kosten für einen Kunststoffrasenbelag liegen ca. um den Faktor 3 höher. Die Benotung in der Checkliste beträgt für die Baukosten bei Sportrasen und Tenne folglich eine 1 und für den Kunststoffrasen eine 4.
Die zukünftigen Pflege- und Reparaturkosten können bei Sportrasen und Tenne mit hoch (Note 3) angesetzt werden, während sie beim Kunststoffrasen als niedrig einzustufen sind (Note 1). Durch die ständige Bestandsauffrischung des Sportrasens im Rahmen der Erhaltungspflege ist eine Belagserneuerung hier nicht erforderlich (Note 0). Die Kosten für einen neuen Belag sind bei Tenne mit mittel (Note 2) und bei Kunststoffrasen mit hoch (Note 3) zu veranschlagen.
Die bei der Belagserneuerung anfallenden Entsorgungskosten sind bei Sportrasen gleich Null, bei Tenne gering und bei Kunststoffrasen vergleichsweise hoch. - Kategorie Nutzung
Sportrasen ist während des Winters und bei starker Vernässung in seiner Nutzung eingeschränkt (Note 3). Für die Tenne trifft dies nicht in diesem Maß zu (Note 2). Nur geringe Nutzungseinschränkungen gibt es beim Kunststoffrasen (Note 1).
Vorbehalte gegen den Sportrasen existieren bei den Spielern nicht (Note 0), beim mit Sand und Gummigranulat verfüllten Kunststoffrasen sind sie gering (Note 1). Der Tennenbelag findet die geringste Akzeptanz (Note 3). - Kategorie Funktion
In dieser Kategorie schneidet der Sportrasen am besten ab. Bei guter Pflege kombiniert er in idealer Weise die Sport- und Schutzfunktion eines Belags. Nicht nur aufgrund der geringen Verletzungsgefahr erhält er hier Noten zwischen 0 und 1. Generell schlechter sind die Tenne und der Kunststoffrasen zu bewerten (Noten 2 bis 4). - Kategorie Umwelt
Der Verbrauch an nicht erneuerbaren Ressourcen und die Belastung der Umwelt sind beim Sportrasen und bei der Tenne als gering bzw. nicht existent einzustufen (Noten 0 bis 1). Zudem reduziert Sportrasen gegenüber den anderen Belagsarten die Belastung mit CO2 und Feinstaub. Für die Produktion des Kunststoffrasens ist ein hoher Energieaufwand erforderlich (Note 4). - Fazit
In Summe ergeben sich somit für den Sportrasen 57, für die Tenne 80 und für den Kunststoffbelag 90 Punkte. Unter den gegebenen Umständen ist somit der Sportrasen eindeutig zu favorisieren.
Beispiel 2: Ausgangssituation
In einer Gemeinde mit 5.500 Einwohnern gibt es zwei Fußballvereine mit 5 Senioren- und 12 Jugendmannschaften. Der 1970 gebaute Rasensportplatz inkl. eines 1985 errichteten Kleinspielfeldes (Sportrasen) wird durch die Gemeinde gepflegt. Wegen der zunehmenden Nutzungsdauer der Anlagen und der zeitlichen Überschneidung von Wettkampfspielen beantragen die Vereine einen zusätzlichen Trainingsplatz. Für die Wettkampfspiele soll bis auf witterungsbedingte Ausnahmen der Sportrasen genutzt werden.
* Punkte = Gewichtung x Note
Erläuterungen zur Note:
0 = keine, trifft nicht zu, 1 = gering, niedrig, 2 = mittel, 3 = hoch , 4 = sehr hoch
Je niedriger die Summe der Punkte, desto geeigneter ist die Belagsart unter den gegebenen Voraussetzungen
- Kategorie Kosten
Ein zusätzlicher Sportrasen würde Baukosten in mittlerer Höhe verursachen (Note 2). Die Baukosten für einen neuen Tennenplatz sind mit hoch (Note 3) und für den granulatverfüllten Kunststoffrasen als vergleichsweise sehr hoch (Note 4) zu veranschlagen.
Aufgrund der hohen Belastung sind die zukünftigen Pflege- und Reparaturkosten beim Sportrasen als sehr hoch (Note 4), bei der Tenne als hoch (Note 3) und beim Kunststoffrasen als mittel einzustufen (Note 2).
Für die Belagserneuerung wird annähernd dieselbe Bewertung wie in Beispiel 1 vorgenommen. Die anfallenden Entsorgungskosten sind bei Sportrasen gleich Null, bei Tenne gering und bei Kunststoffrasen aufgrund eines Rücknahmevertrages mit dem Belagshersteller ebenfalls gering (Note 1). - Kategorie Nutzung
Die Nutzung des Sportrasens ist aufgrund der Mittelgebirgslage mit hohen Regenmengen und des langen Winters sehr eingeschränkt (Note 4). Der Tennenbelag ist hierdurch weniger betroffen (Note 2) und beim Kunststoffrasen gibt es laut Hersteller keine Einschränkung in der Nutzung (Note 0).
Die Vorbehalte der Spieler gegen die Belagsarten Sportrasen und Kunststoff sind gering (Note 1), der Tennenbelag wird nahezu einstimmig abgelehnt (Note 4). - Kategorie Funktion
Bis auf die Hitzeentwicklung im Sommer bewertet man den Kunststoffrasen in seinen sportfunktionellen Eigenschaften identisch mit dem Sportrasen. Beim Tennenbelag werden sportfunktionelle Mängel wie z.B. Härte und hohe Verletzungsgefahr negativ beurteilt. - Kategorie Umwelt
Hier kann dieselbe Bewertung wie in Beispiel 1 zugrunde gelegt werden, da sich auch unter den geänderten Rahmenbedingungen keine Änderung der Benotung ergibt. - Fazit
In diesem Beispiel gibt es keinen eindeutigen Sieger. Sportrasen und Kunststoffrasen liegen in der Punktzahl gleichauf. Aus sportfunktionaler Sicht ergeben sich leichte Vorteile beim Sportrasen. Der Tennenbelag kann als ungeeignet verworfen werden.
Welcher Belag nun gewählt wird, müssen letztendlich die verantwortlichen Politiker entscheiden. Neben der finanziellen Situation der Gemeinde sollten dann auch die zukünftigen Entwicklungen in der Sportstättennutzung mit in die Entscheidung einfließen.
Diese Beispiele sollen den Umgang mit der Checkliste (Checkliste als PDF-Datei herunterladen) verdeutlichen und eine Hilfe bei der Bewertung/Benotung der Einzelkriterien geben. Die Checkliste kann nur dann eine wertvolle Entscheidungshilfe bieten, wenn die Bewertung unter den gegebenen Voraussetzungen gewissenhaft und objektiv erfolgt.