Rasenthema: April 2006
Autor: © Dr. Hermann Freudenstein, Bundessortenamt, Hannover
Gräsersorten mit unterschiedlichem Leistungspotenzial für die Rasen- oder Futternutzung
Zunächst stellt sich die Frage, was den Begriff einer Sorte eigentlich ausmacht. Gräserarten wie beispielsweise Rotschwingel (Festuca rubra) und Deutsches (Ausdauerndes) Weidelgras (Lolium perenne) unterscheiden sich durch morphologische Ausprägungen und charakteristische Unterschiede in den Ansprüchen an Klima und Boden, die allen Individuen einer Art gemeinsam sind.
Aber auch in ihrer Reaktion und Verhalten auf verschiedene Nutzungsrichtungen wie Futter- oder Rasennutzung liegen deutliche Unterscheidungsmerkmale.
Sortenentwicklung
Solche Differenzierungen wie z.B. Farbausprägung, Blattbreite oder Wuchshöhe setzen sich jedoch auch innerhalb einer Art fort. Alle Pflanzen, die die gleichen botanischen Merkmale aufweisen, innerhalb dieser aber mehr oder weniger stark differenzieren, werden unter dem Begriff Sorte zusammengefasst und meist vom Züchter mit einem mehr oder weniger fantasievollen Namen bedacht. Um als eigenständige Sorte anerkannt zu werden, muss sie sich in mindestens einem Merkmal von den bereits bekannten Sorten einer Art unterscheiden.
Die Vielzahl der existierenden Sorten sind auf die Anstrengungen der verschiedenen Züchterfirmen zurückzuführen, die mittels moderner Pflanzenzuchtmethoden das Ziel verfolgen Sorten zu schaffen, die den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen der Verbraucher gerecht werden sollen.
Im Hinblick auf die Zuchtziele in der Gräserzüchtung stellen sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Bereiche dar. Zum einen der Bereich des Sortentyps Futtergras, in dem vor allem die Nutzung der Sorte in der Landwirtschaft, als Viehfutter, im Vordergrund steht. Zum anderen der Bereich des Sortentyps Rasengras dessen Verwendung im privaten, häuslichen Bereich, im kommunalen Straßenbegleitgrün und natürlich in der Begrünung von Sport- und Golfanlagen liegt.
Stollenwalze zur Simulation von Tritt- und Schereffekten in der Rasenanbauprüfung auf Strapazierfähigkeit beim Bundessortenamt (BSA)
(Fotos alle BSA)
Sortennutzung
Sorten, die für Futterzwecke gezüchtet werden, sollen in erster Linie viel Grünmasse produzieren. Typische morphologische Ausprägungen der Futtergräser wie breite Blätter, rasches Wachstum und stängeliger Wuchs begünstigen den erwünscht hohen Masseertrag. Außerdem muss Futtergras von den Tieren gerne gefressen werden, d.h. die Pflanzen sollten beispielsweise einen möglichst hohen Zuckergehalt aufweisen.
In der Züchtung des Sortentyps Rasengras wird auf andere pflanzliche Eigenschaften Wert gelegt. Hier spielen die Inhaltsstoffe der Pflanzen keine Rolle und der Massenertrag sollte - ganz im Gegensatz zu den Futtergräsern - möglichst gering sein, um ein häufiges Mähen und Entsorgen von hohen Schnittgutmengen zu vermeiden.
Ganz allgemein gewährleisten Rasenflächen eine preiswerte, sich selbst regenerierende, umweltfreundliche Bodenbedeckung.
Sortenauswahl
Mehr als die Hälfte des in Deutschland jährlich benötigten Gräsersaatgutes wird für Rasenanlagen unterschiedlichster Art verwendet. Für diesen stetig wachsenden Saatgutbedarf steht ein immer umfangreicheres Sortenangebot zur Verfügung. In der Beschreibenden Sortenliste „Rasengräser“ 2004 des Bundessortenamtes sind insgesamt 392 für Rasennutzung gezüchtete Sorten aufgeführt.
Die drei wichtigsten Arten – Rotschwingel (Festuca rubra), Deutsches Weidelgras (Lolium perenne) und Wiesenrispe (Poa pratensis) stellen fast 85% der hier erwähnten Rasensorten.
Die Ziele in der Züchtung von Rasengräsern orientieren sich an den Hauptnutzungsrichtungen wie z.B. Zierrasen, Gebrauchsrasen, Sportrasen oder Landschaftsrasen (Straßenbegleitgrün).
Grassorten für den Einsatz in Zierrasen sollten besonders feine Blätter aufweisen, was der Rasenfläche einen besonders schönen Aspekt verleiht. Dank ihrer dichten Narbe haben unerwünschte Arten kaum eine Möglichkeit der Etablierung. Solche Sorten wachsen eher verhalten und helfen daher den Pflegeaufwand zu reduzieren.
Sorten, die im Bereich Sportrasen eingesetzt werden sollen, müssen darüber hinaus eine besonders hohe Strapazierfähigkeit aufweisen und die Fähigkeit zur raschen Regeneration haben, um zum Beispiel durch Fußballschuhe entstandene Lücken schnell zu schließen.
Auch der Farbaspekt spielt in der Züchtung von Rasengräsern eine Rolle. Vor allem in den USA werden Sorten gezüchtet, die sehr dunkelgrün sind. Dies ermöglicht ein bei Fernsehübertragungen besonders erwünschtes kontrastreiches Bild.
Sortenqualität
Zwischen den Sorten gibt es erhebliche qualitative Unterschiede. So werden häufig grobe, schnell wachsende Futtergräser unter wohlklingenden Namen als „Billig-mischung“ im Handel als ’Rasen’ angeboten.
Hochwertige Rasenmischung
„Billig -Rasenmischung“
Dem Verbraucher wird mittels bunter Bildchen die Vision eines schönen, dichten Rasens vorgegaukelt. Die Realität sieht dann später eher ernüchternd aus, da sich auf Grund der bereits beschriebenen Eigenschaften der Futtergräser kein langfristiger Erfolg einstellen wird. Die Narbe bleibt lückig und bietet genügend Raum zur Einwanderung unerwünschter Pflanzenarten (Unkräuter), die somit den Rasenaspekt ganz wesentlich beeinträchtigen.
Die Wahl der richtigen Sorte aus dem für Rasen geeigneten Artenspektrum ist somit eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche, auf den Nutzungszweck ausgerichtete Rasenansaat.
Für jeden Anwendungsbereich sind heute zahlreiche hochwertige Rasensorten vorhanden. Saatgut dieser Sorten ist zwar teurer; es sollte aber bei der Rasenansaat gegenüber Futtersorten bevorzugt werden, da letztere keine nachhaltige Raseneignung aufweisen.
Sortenprüfung
Das Bundessortenamt prüft die für Rasennutzung bestimmten Sorten in einer speziellen Rasenanbauprüfung. Die daraus folgenden Bewertungen der Sorten sind in der „Beschreibenden Sortenliste Rasengräser“ nachzulesen. Der interessierte Verbraucher sollte sich diese objektive Beurteilungsmöglichkeit zu Nutze machen. Zu beziehen ist die Liste über den Deutschen Landwirtschaftsverlag: www.dlv.de.
Rasenprüffeld- Parzellenanlage
Sortendemonstration Wiesenrispe (mit Blütenstand)
Einen Überblick über bewährte Saatgutmischungen für verschiedene Anwendungsbereiche und Standortverhältnisse mit genau definierten Mischungsanteilen der zu verwendenden Arten und Mindesteignungen der Sorten gibt die Broschüre „Regel-Saatgut-Mischung Rasen 2006“ (RSM 2006) der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. in Bonn (www.fll.de).
Mischungen, die diesen Qualitätsstandards entsprechen, sind mit dem Kürzel ’RSM’ und der entsprechenden Nummer der Mischung gekennzeichnet (z.B. RSM 2.3 Gebrauchsrasen – Spielrasen). Korrekt deklariert und gemischt können sie bedenkenlos empfohlen werden.