RASENTHEMEN SEIT 1999

Rasenthema: November 2022

Autor: Dr. Klaus Müller-Beck, Ehrenmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V.


Bedeutung und Wertigkeit des Rasens für Mensch und Umwelt

 

Einleitung

Die Herausforderungen für die Zukunft des Rasensektors sind zahlreich und vielfältig. Die Auswirkungen des Klimawandels übertreffen die schlimmsten Erwartungen. Der Hitzesommer 2022, mit anhaltender Trockenheit, ist beispielhaft. Es werden strenge Beschränkungen für den Einsatz von Chemikalien und Düngemitteln sowie ein zunehmender Druck auf die natürlichen Ressourcen (insbesondere Wasser, Energie und Landflächen) erwartet. Der Verlust an Ökosystemleistungen und biologischer Vielfalt in den städtischen Landschaften nimmt weiter zu. All dies verlangt nach mehr Forschung und Innovation für eine nachhaltige Rasenkultur.
Im Gegensatz zur Einschätzung im Spiegel-Beitrag zum Thema „Härtetest im Vorgarten“, vom 1.10 2022, wäre es durchaus ein Verlust an Lebensqualität für den Menschen, wenn durch Trockenheit ein großflächiges „Rasensterben“ in Deutschland einsetzten würde.
Eine derartige Berichterstattung verunsichert viele Rasenbesitzer.

 

Ausgetrockneter und stark genutzter Gebrauchsrasen Mitte September 2022 nach anhaltender Trockenheit
Abb. 1: Ausgetrockneter und stark genutzter Gebrauchsrasen Mitte September 2022 nach anhaltender Trockenheit (li.) und frischer Austrieb nach natürlichen Niederschlägen Anfang Oktober (re.). (Fotos: Dr. K. Müller-Beck)

 

Rasengräser weisen ein hohes Maß an Regenerationskraft auf, die allerdings artenspezifisch ausgeprägt ist. Sofern die Gräser nicht durch Hitze geschädigt wurden, setzt nach ausreichenden, natürlichen Niederschlägen eine Wiederbelebung ein. Eine Vielzahl von Rasenbesitzern, die auf eine Beregnung verzichtet hatten, konnten selbst beobachten, wie sich neue Triebe einige Tage nach dem Regen im braunen Rasen entwickelten (Abbildung 1b). In einem Beitrag in der Zeitschrift RASEN 2-2021 berichteten NITZSCHKE et al. (2021) über Untersuchungsergebnisse zum Thema „Trockenstress von Gebrauchsrasenmischungen“. (Download)

 

Internationale Forschung ist gefordert

Die Teilnehmer der 14. ITRC (International Turfgrass Research Conference) machten im Juli 2022 deutlich, dass die anstehenden Herausforderungen, bedingt durch den Klimawandel, bei der Nutzung und Entwicklung von Rasenflächen im öffentlichen Raum, die zukünftigen Forschungsschwerpunkte bestimmen werden. Dabei geht es verstärkt um die Auswahl geeigneter Grasarten und den schonenden Einsatz von Ressourcen wie Wasser und Nährstoffen. In Kopenhagen bot die „Rasen-Community“ hervorragende Möglichkeiten, die notwendige internationale, interdisziplinäre Zusammenarbeit zu verbessern und auszuweiten. Der unmittelbare direkte Austausch unter den Kollegen eröffnete die Chance, praktikable Strategien zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen und zur Schaffung einer nachhaltigen Zukunft anzustoßen und weiterzuentwickeln.


Bedeutung des Rasens bei Entwicklung und Nachhaltigkeit

Die in der Agenda 2030 festgelegten Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs), bildeten bereits bei der 14. ITRC in Kopenhagen den Rahmen des Tagungsprogramms. Dabei wurden von den Organisatoren acht SDGs mit Bezug zur Rasenindustrie ermittelt:

 

Die UN-Ziele 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sustainable Development Goals (SDGs).
Abb. 2: Die UN-Ziele 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sustainable Development Goals (SDGs). (Quelle: UN)

 

Im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG’s) bietet das Potenzial des Rasens einen signifikanten Beitrag bei der Erreichung folgender Ziele:

  • SDG 3 = Gesundheit und Wohlergehen,
  • SDG 6 = Sauberes Wasser und Sanitärversorgung,
  • SDG 11 = Nachhaltige Städte und Gemeinden,
  • SDG 12 = Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster,
  • SDG 13 = Maßnahmen zum Klimaschutz,
  • SDG 14 = Leben unter Wasser,
  • SDG 15 = Leben an Land,
  • SDG 17 = Partnerschaften zur Erreichung der Ziele.

Bei der Weltrasenkonferenz in Kopenhagen war sämtlichen Teilnehmern und insbesondere den Keynote-Speakern klar, welche Bedeutung und Wertigkeit der Rasen auf den unterschiedlichen Kontinenten entwickelt hat. Immer wieder wiesen die Referenten auf die oft nicht wahrgenommenen Leistungen des Rasens im Sinne dieser Nachhaltigkeitsziele der UN (SDG’s) hin. Hier bedarf es einer verstärkten Anstrengung, die Kraft und Wirkung des Rasens im Bewusstsein der Bevölkerung stärker zu etablieren. Diese grüne Lunge darf in den Städten nicht sterben, deshalb müssen angepasste Nutzungs- und Pflegekonzepte auch für Trockenperioden entwickelt werden.
Ökosystemleistungen der Rasengräser liefern insbesondere in der Stadtlandschaft einen erheblichen Beitrag zum Wohlbefinden der Menschen. In der Stadt bedeuten Grünflächen Inseln der Erholung mit einem beruhigenden Aspekt durch das Grün. Rasen bietet den Menschen eine Fläche zur sportlichen Aktivität, um sich körperlich fit zu halten. Der kühlende Effekt des Rasens im städtischen Bereich wird gerade bei den hohen Sommertemperaturen wirksam.

 

Klimaänderung erfordert Anpassung der Zuchtziele

Durch die veränderten klimatischen Bedingungen suchen namhafte Gräser-Züchter seit einiger Zeit eine Neuausrichtung bei den Zuchtzielen. Hier rücken verstärkt folgende Eigenschaften der Gräser in den Mittelpunkt:

  • Hitze- und Trockenheitstoleranz,
  • Ausprägung des Wurzelsystems,
  • Wassernutzungseffizienz – wassersparende Blattmorphologie,
  • Morphologische Merkmale (Wurzel / Cuticula),
  • Inhaltsstoffe im Zellgewebe – Gehalt an Osmotica.

Bei der Betrachtung des CO2 -Footprint von Rasenflächen wies die Gräserzüchterin Leah Brilman bei Ihrem Eingangsstatement als Keynote-Sprecherin bei der 14. ITRC auf die Möglichkeiten eines nachhaltigen Rasenmanagements hin. Die grundsätzlichen Vorzüge des Rasens dürfen nicht durch fehlerhafte Pflege aufgebraucht werden. Eine interessante Aussage lautete: „Ein gepflegter Rasen mit Düngung und Bewässerung speichert mehr Kohlenstoff als ein nicht gepflegter“ (BRILMAN, 2022).

 

Die UN-Ziele 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sustainable Development Goals (SDGs).
Abb. 3: Funktionale Leistungsbereiche der Rasengräser.

 

Ökosystemleistungen von Rasenflächen richtig einschätzen
In der Definition nach TEEB (2010) werden Ökosystemleistungen (ÖSL) vereinfacht als „direkte und indirekte Beiträge von Ökosystemen zum menschlichen Wohlergehen“ definiert. Wohlergehen der Menschen hängt von gut funktionierenden Ökosystemen ab. Sie liefern Sauerstoff zum Atmen, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, Grundstoffe für Medikamente, Industrierohstoffe und sind Speicher für Klimagase, Vorbilder für technische Lösungen und vieles mehr. Dazu zählen auch eine Reihe kultureller Leistungen, die die Lebensqualität maßgeblich erhöhen, z.B. Schönheit der Natur, Erholung in der Natur.


In der folgenden Übersicht sind die wesentlichen Ökosystemleistungen der verschiedenen Rasentypen in den unterschiedlichen Ebenen zusammengestellt. (Quelle: COMPLETE TURF SUPPLIES, 2016).

  • Verbesserung der Luftqualität
    o Kontrolle der Luftverschmutzung/ Qualitätsverbesserung
    o Sauerstoffproduktion durch Fotosynthese
    o Staubvermeidung und Stabilisierung
    o Kohlenstoffspeicherung und Senkung, Bindung in org. Substanz

  • Auswirkungen auf die Wasserqualität
    o Reduzierung des Oberflächenabflusses
    o Filterung und Reinigung von Wasser (Phytoremediation)
    o Regenwassernutzung und Sammlung
    o Speicherung von Regenwasser - Auffüllung des Grundwassers

  • Verbesserung der Bodenqualität
    o Reduzierung von Nährstoffverlagerung und Nährstoffverlust
    o Erosions-Kontrolle
    o Bodenverbesserung und Wiederherstellung
    o Biologischer Abbau von synthetisch organischen Verbindungen (Phytoremediation)
    o Verminderung der Hitzeinsel-Effekte

  • Biodiversität
    o Rough-Flächen Golfanlagen
    o Wichtiger Lebensraum und Nährboden für bestimmte Faunaarten
    o Blühinseln Landschaftsrasen

  • Sonstige
    o Geräusch- und Blendreduzierung
    o Vorbeugender Brandschutz

 

Schlussfolgerung und Ausblick

Wir müssen neu denken bei unserem Verständnis von Rasenflächen, wenn es darum geht, diese bei verschiedenen klimatischen und soziokulturellen Bedingungen zu fördern und gleichzeitig naturbasierte Lösungen zu entwickeln, die den lokalen Anforderungen im Hinblick auf Umweltbedingungen, soziale Bedürfnisse und Bewirtschaftungsstrategien angepasst sind.

 

Vorschlag eines interdisziplinären Forschungsvorhabens für das Thema Rasen als komplexes Phänomen.
Abb. 4: Vorschlag eines interdisziplinären Forschungsvorhabens für das Thema Rasen als komplexes Phänomen.
(Quelle: IGNATIEVA, M. et al., 2020, modifiziert, KMB.)

 

Die Herausforderungen des zukünftigen Rasens lauten: Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit und naturnahe Lösungen. Die Deutsche Rasengesellschaft begleitet diese Entwicklungen, indem sie mit ihren Rasenseminaren und Veröffentlichungen auf der Homepage eine Plattform zur Kommunikation und zum Wissenstransfer zwischen Forschung und Anwender-Praxis bereitstellt.

Rasen ist international eine wichtige Kultur und verbindet die Wissenschaftler und Praktiker

bei der Gestaltung und Ausrichtung von Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie Grünflächen im öffentlichen Raum, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung.

Ein internationaler, interdisziplinärer Forschungsaustausch mit den Organisationen „International Turfgrass Society ITS“ und der „European Turfgrass Society ETS“ ist deshalb wichtiger denn je!

„Gräser dienen nicht direkt der Ernährung, sie leisten jedoch einen unschätzbaren Beitrag für Mensch und Natur“!

 

Quellenhinweise:

 

Autor
Dr. Klaus Müller-Beck
Ehrenmitglied DRG
48291 Telgte
E-Mail: klaus.mueller-beck@t-online.de

 

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