Rasenthema: März 2020
Autor: © Prof. M. Bocksch, Vorstandsmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V., Echterdingen
Merkmale zur Saatgutidentifikation
von Rasengräsern
Einleitung
Bald beginnt hierzulande wieder die Zeit der Rasenansaaten. Die Frühjahrssaison beginnt in günstigen Lagen Anfang April und andernorts im Mai, wenn die Bodentemperaturen rund
10 °C erreicht haben.
Damit Sie sicher sind, das richtige Saatgut zu kaufen, dient zunächst ein Blick auf das grüne Etikett an der Packung. In der Regel lassen sich dort die Mischungskomponenten ablesen. Es kommt aber durchaus vor, dass Rasenflächen neu angelegt werden müssen, weil falsche Arten enthalten waren oder wichtige Komponenten fehlten.
Für die meisten Anwender sehen die Grassamen wie eine einheitliche graue Masse aus. Beim genaueren Hinsehen lassen sich deutliche Unterschiede bei Größe und Form der Spelzfrüchte, so lautet die exakte Bezeichnung, erkennen. Mit einer guten Lupe, ein paar Bestimmungshinweisen und etwas Übung lassen sich die wichtigsten Arten auseinander halten. Die Karyopse liegt in der Spelzfrucht, einer Scheinfrucht, die durch die mehr oder weniger starke Umklammerung, Verwachsung der Karyopse mit der Vor- und Deckspelze entsteht. Der Fachmann spricht nicht von Samen, sondern von Saatgut oder Saatmischung.
Bestimmungsmerkmale
Der eigentliche Grassamen, die Karyopse, ist bei den meisten Rasengräsern der kalt-gemäßigten Zone gut verborgen in zwei Spelzen, der umgreifenden Deckspelze, die zwei Drittel des Samens umschließt und der Vorspelze, die die vertiefte Rinne gleich einem breiten Schlips bedeckt. Insbesondere die Deckspelze spielt mit ihren sehr unterschiedlichen Ausformungen bei der Bestimmung eine wichtige Rolle. So kann sie eine Spitze formen oder gar auffällige Verlängerungen bilden, die sogenannten Grannen. Sie sind meist einzigartig und daher wichtige Bestimmungsmerkmale.
In der Rinne findet sich bei vielen Arten ein unterschiedlich gestaltetes Stielchen, dies ist ein Relikt der Blüte, denn daran befand sich die nächste Blüte im Blütenstand. Mit Samenform und -größe, Größe des Stielchens und den Granneneigenschaften kann man schnell die wichtigsten Grasarten, zumindest bis zur Gattung, unterscheiden.
Größe der Spelzfrucht
Der Bestimmung von Rasengräsern kann man sich auf verschiedene Weisen annähern. Eine einfache Zuordnung erfolgt zunächst über die Größe der Grasfrüchte. Dabei lässt sich folgende Reihenfolge der wichtigsten Rasenarten aufstellen:
Rohr-Schwingel (Festuca arundinacea) ist das größte Saatkorn. Gefolgt vom Einjährigen Weidelgras (Lolium multiflorum), welches nur unwesentlich kleiner ist sowie dem Deutschen Weidelgras (Lolium perenne), ebenfalls nur wenig kleiner. Danach folgen Rotschwingel (Festuca rubra spp.), Schafschwingel und verwandte Arten (Festuca ovina), Wiesenrispe (Poa pratensis) sowie alle anderen Rispengräser (z.B. Poa supina / Poa spp.) und schließlich die kleinen Samen der Straußgräser (Agrostis spp.).
Schon auf Basis der Saatgutgröße kann man sehr schnell herausfinden, ob eine vorliegende Mischung tatsächlich aus Deutschem Weidelgras und Rotschwingel oder Wiesenrispe und Schafschwingel besteht. Abbildung 1 stellt die relativen Größenverhältnisse/-unterschiede der Grassamen dar. Die Größe der Samen hat maßgeblichen Einfluss auf die Körnerzahl je Gramm Saatgut, wie Tabelle 1 zeigt.
Tab. 1: Übersicht zur Anzahl der Samen je Gramm und Mindestkeimfähigkeit der wichtigsten Rasengräserarten der kalt-gemäßigten Zone (C-3 Gräser).
Nach der Größe ist es sinnvoll sich zur Gattungsbestimmung die Morphologie genauer anzuschauen. Dazu bietet die Abbildung 1 eine vergleichende Darstellung der Grassamen, die mit den folgenden Saatgutbeschreibungen ergänzt werden.
Abb. 1: Vergleichende Darstellung der Spelzfrüchte der wichtigsten Rasengräserarten.
Saatgutbeschreibungen
- Rohr-Schwingel (Festuca arundinacea)
Er ist der größte Rasengrassamen, den wir nutzen. Die Deckspelze ist in der Regel mit einer Spitze oder einer kurzen Granne versehen. Das Stielchen ist lang, dünn und rund. (Siehe Figur B) in Abbildung 1).
- Einjähriges Weidelgras (Lolium multiflorum)
Fast so groß wie der Rohrschwingel, aber flacher. Es besitzt eine lange, feine Granne, die aus der Mittelrippe der Deckspelze entspringt. Meist geht sie bei den Reinigungsprozessen, die das Saatgut durchläuft, jedoch verloren. Das Stielchen ist deutlich kürzer als beim Rohrschwingel und oben ausgebreitet. Als Rasengras hat das Einjährige Weidelgras keine große Bedeutung, es wird als Ammengras bei Böschungsansaaten verwendet.
- Rotschwingel (Festuca rubra spp.),
- Schafschwingel (Festuca ovina)
Beide sind in der Form sehr ähnlich, sie gleichen einem schmalen Bootsrumpf. Die Grannen sind gerade und lang. Sie entspringen der Spitze der Deckspelze. Das Stielchen ist gleichmäßig rund, es steht leicht ab (liegt nicht in der Vertiefung) und sein Ende kann ungleichmäßig sein. Rotschwingel ist deutlich größer als der Schafschwingel und dessen verwandte Arten. (Siehe Figur C in Abbildung 1).
- Rispengräser (Poa spec.)
Die Samen der Rispengräser sind wesentlich kleiner im Vergleich zu den Samen der bisher beschriebenen Arten. Rispengräsersamen besitzen keine Granne. Das Stielchen ist sehr dünn, rund und etwa halb so lang wie der gesamte Samen. Es liegt fest in der Rinne. Aber die Größe ist das entscheidende Merkmal dieser Gattung. Innerhalb derer ist die Unterscheidung der Arten selbst für Experten nicht einfach.
(Siehe Figur D in Abbildung 1). - Straußgräser (Agrostis spp.)
Sie besitzen die kleinsten Samen der für Rasenansaaten im kühl-gemäßigten Raum verwendeten Gräser. Im Unterschied zu den anderen Arten sind die Karyopsen zu einem erheblichen Teil freiliegend ohne Spelzen. Dadurch fällt der Farbunterschied auf, denn die Karyopse ist rötlich bis schokobraun und wie ein sehr kleines Weizenkorn geformt. Samen mit Spelzen sehen denen von Schafschwingel recht ähnlich, nur viel kleiner. Die sehr kleinen Samen und das Vorliegen auch ohne Spelzen sind die beiden wichtigsten Unterscheidungsmerkmale für die sichere Identifikation. (Siehe Figur E in Abbildung 1).
Abb. 5: Spelzfrüchte einer Gebrauchsrasenmischung Typ RSM 2.3 mit Festuca rubra commutata (re.), Lolium perenne (li.) und Poa pratensis (Mi.).
(Foto: K.G. Müller-Beck)
In einer Spiel- und Gebrauchsrasenmischung vom Typ RSM 2.3 sind die Arten Festuca rubra, Lolium perenne und Poa pratensis enthalten. Mit etwas Geschick lassen sich diese Arten auf einem Blatt Papier mit einer Lupe nach Größe und Form identifizieren.
Ein Versuch zur Bestimmung der Mischungsqualität wäre es wert.
Quellenhinweise:
- COOK, T., 1987: Thoughts on fall planting of lawns-seed identification. Ornamentals Northwest, Ausgabe 02-1987.
- FLL, 2019: Regel-Saatgut-Mischungen Rasen, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V., Bonn.
- KNÖDLER, U., 2018: Schriftliche Mitteilungen, Echterdingen.
- THIEME-HACK, M., 2018: Handbuch Rasen, Ulmer Verlag, Stuttgart.
- FÄHRENKEMPER, C. 2006: Samenbilder – Serie „Embryo“.