Rasenthema: Juni 2021
Autor: © Dr. Klaus Müller-Beck, Ehrenmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V.
Biostimulanzien für Rasengräser gewinnen an Bedeutung
Einleitung
Im Rahmen der neuen EU-Regulierung werden Biostimulanzien zukünftig nicht mehr aufgrund der Inhaltsstoffe, sondern vielmehr nach ihren Wirkungen und Funktionen eingestuft. Nach EBERT (2019), hat der Verband der Europäischen Biostimulanzien-Hersteller EBIC folgende Definition formuliert:
„Pflanzen-Biostimulanzien enthalten Substanzen und /oder Mikroorganismen, deren Funktion es ist, nach Anwendung auf Pflanzen oder den Boden natürliche Prozesse zu stimulieren und dabei die Nährstoffaufnahme und Nährstoffeffizienz, die Toleranz gegenüber abiotischem Stress sowie die Pflanzenqualität zu verbessern.“
Im Rahmen der Rasenpflege dient die Anwendung von Biostimulanzien verstärkt der Vorbeugung von Stressfaktoren bei den Gräsern z.B. bei Hitze, Trockenheit, starker Belastung oder zur Unterstützung der Wurzelbildung und des Rasenaspektes, bis zur Verbesserung der Spieleigenschaften. Die Anwendung von Biostimulanzien kann somit die Gesamtqualität und Leistungseigenschaften von Rasenflächen verbessern.
In jüngerer Zeit wird die Verwendung von Biostimulanzien auch als effektives Mittel zur Realisierung einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Rasenpflege eingestuft (MÜLLER-BECK, 2019).
Abb. 1: Beispiel für die Wirkung von Biostimulanzien bei der Beobachtung von Taubildung auf
der Rasenfläche. (Quelle: FIDANZA et al. 2019.)
FIDANZA et al. (2019) sehen in der neuen Regulierung von Biostimulanzien einen verstärkten Forschungsbedarf für bestehende und mögliche Neuprodukte zur Beschreibung der Wirkung auf die unterschiedlichen Rasentypen. Ein großer Komplex besteht bei der Anwendung von Biostimulanzien im Rahmen der Vorbeugung von Stressfaktoren bei den Gräsern. Bei zunehmenden Anforderungen an die Rasenqualität gewinnen Biostimulanzien zusätzliche Bedeutung bei der Sicherung der Spieleigenschaften sowie der Optimierung des Rasenaspektes.
Abb. 2: Gerade bei sandreichen Rasentragschichten können Biostimulanzien die Vitalität der Gräser stärken.
(Foto: K.G. Müller-Beck)
Wie wirken Biostimulanzien?
Biostimulanzien besitzen die Fähigkeit, natürliche Reaktionen der Rasengräser auszulösen, um abiotischen Stress abzuwehren. Mit oder ohne Biostimulanzien wird die Pflanze ihren Stoffwechsel anpassen, um auf abiotischen Stress zu reagieren. Die Verwendung von Biostimulanzien im Rasen kann diesen Vorgang unterstützen und führt so zu einer schnelleren und effizienteren Reaktion der Gräser.
Inzwischen wird eine Vielzahl von Produkten im Markt angeboten, die sich bezüglich Herkunft und ihrem Wirkungsgrad deutlich voneinander unterscheiden.
In der Regel lassen sich Biostimulanzien für die Rasenanwendung aufgrund der überwiegenden Inhaltsstoffe einer der fünf Gruppen zuordnen (nach EBIC in IVA, 2017):
- Mikroorganismen (Pilze + Bakterien)
- Algenpräparate meist aus Seetang
- Pflanzenextrakte (Phytohormone, Vitamine, Aminosäuren)
- Extrakte aus tierischen Produkten (Proteinhydrolysate)
- Huminstoffe wie Humin- und Fulvosäuren
Abb. 3: Bacillus subtilis-Bakterien in mikroskopischer Ansicht, (EBERT, 2019).
In einem aktuellen Blog-Beitrag von LEBANON Turf (2021) wird über die verschiedenen Anwendungen- und Wirkungsweisen von Biostimulanzien für den Rasenbereich berichtet.
Als Kurzfassung werden hier die wichtigsten Argumente vorgestellt.
Wann ist der richtige Anwendungszeitpunkt?
Die beste Wirkung entfalten die Biostimulanzien, wenn sie vorbeugend eingesetzt werden. Dies ist ähnlich wie bei einem Impfstoff einzuschätzen. Die Biostimulanzien bereiten die Reaktion der Graspflanze auf mögliche Stress-Situationen vor, sodass sie abiotischem Stress besser widerstehen kann.
Wenn ein Umweltstress auftritt, z. B. erhöhte Hitze und Luftfeuchtigkeit, ermöglicht der "Alarm", der zuvor durch die präventive Anwendung von Biostimulanzien erzeugt wurde, der Graspflanze, schnell und effektiv auf das Stressereignis zu reagieren. Wachstum und Stoffwechsel werden aufrechterhalten oder minimiert.
Algenextrakt zur Vorbeugung
Mit der vorbeugenden Anwendung des Algenextraktes Ascophyllum nodosum wird dieser präventive Alarmeffekt genutzt. Diese Maßnahme kann während leichter Stresssituationen oder in den frühen Stadien von abiotischen Stressereignissen dem Rasen deutlich helfen.
Bei stärkerer Beeinträchtigung werden Biostimulanzien zur Erholung der Gräser eingesetzt.
Unter diesen Bedingungen verändert sich der Ressourcenbedarf der Graspflanze hin zu einer Konzentration auf grundlegende Wachstums- und Überlebensfunktionen. Dies führt zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit der Rasenfläche, verbunden mit eingeschränkter Nutzung. In diesen Situationen sollten Post-Stress- oder Erholungs-Biostimulanzien dem Rasen zugeführt werden. In diesen Erholungsphasen liefern Aminosäuren eine effektive Unterstützung.
Aminosäuren zur Regeneration
Ein wichtiger Bestandteil der Pflanzensubstanz sind die Eiweißverbindungen mit den Aminosäuren. Diese Aminosäuren sind essenziell für das Wachstum der Gräser, deshalb besitzen sie eine Schlüsselfunktion bei der Regeneration des Rasens nach abiotischem Stress. Biostimulanzien auf der Basis von Aminosäuren, können den natürlichen Wachstums- und Erholungszyklus des Rasens unterstützen.
Da der Kenntnisstand zu den Biostimulanzien und ihre präventiven sowie regenerativen Wirkungsweisen zugenommen hat, ist klar geworden, dass ein kombiniertes Pflegeprogramm zur Behandlung von abiotischem Stress zu optimalen Ergebnissen führen wird.
Humin- und Fulvosäuren für das Wurzelwachstum
Humin- und Fulvosäuren helfen bei der Wiederherstellung der degradierten Struktur des Bodens, bei der Speicherung und Verfügbarkeit von Nährstoffen im Boden und ermöglichen eine verbesserte Speicherung der Bodenfeuchtigkeit. Humin- und Fulvosäuren haben außerdem nachweislich eine direkte biostimulierende Wirkung auf den Rasen, indem sie ein verstärktes Wurzelwachstum auslösen, das eine verbesserte allgemeine Gesundheit und Kohlenhydratreserven ermöglicht.
Abb. 4: Aktive Wurzelentwicklung von Gräsern im Kultursubstrat. (Foto: K.G. Müller-Beck)
Diese biostimulierende Wirkung ist besonders vorteilhaft, wenn die Pflanze bereits von Natur aus auf das Wurzelwachstum ausgerichtet ist.
Biostimulanzien können auch in Düngerformulierungen eingearbeitet werden, die mehrere Nährstoffe enthalten, wie z. B. die Einarbeitung von Humin- und Fulvosäuren mit Stickstoff, Phosphor und Mikronährstoffen, die für die Entwicklung des Rasens benötigt werden.
Welche Bedeutung haben Biostimulanzien zukünftig?
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Einsatz von Biostimulanzien zu einer sehr umsatzstarken Industrie entwickelt. Auch das Know-how über den Einsatz und die Funktion von Biostimulanzien hat exponentiell zugenommen. Zuerst selektierte man allgemein Produkte mit einer biostimulierenden Wirkung, dann vertiefte man das Wissen über die Wirkungsweise und konnte so Biostimulanzien mit speziellen Effekten für Rasengräser entwickeln.
Inzwischen werden immer präzisere Empfehlungen für das Pflegemanagement erarbeitet. Dabei spielen der geeignete Anwendungszeitpunkt und die Dosierung von Biostimulanzien eine wichtige Rolle, damit konsistente Ergebnisse und eine größere Zuverlässigkeit bei der Effizienz der Produkte gewährleistet werden.
Abb. 5: Gefäßversuche geben Aufschluss über die Wirkung von Biostimulanzien. (Foto: K.G. Müller-Beck)
Fazit
Mit der Nutzung neuer Rohstoffquellen wird der landwirtschaftliche und gärtnerische Einsatz von Biostimulanzien weiter zunehmen. Damit gewinnen diese Produkte auch eine immer größere Bedeutung bei der Realisierung einer nachhaltigen Rasenpflege.
EBERT (2020) sieht für die Zukunft einen erheblichen Forschungsbedarf, um die stimulierenden Effekte der Biostimulanzien und die Komplexität ihrer Inhaltstoffe und Komponenten besser zu verstehen. Biostimulanzien interagieren mit den chemischen und biologischen Komponenten in Pflanze und Boden und fördern so natürliche physiologische Prozesse.
Quellenhinweise:
- DLG, 2018: Biostimulanzien Hoffnung bei Düngung und Pflanzenschutz? DLG Kompakt, 1-20218.
www.dlg.org/de/landwirtschaft/themen/pflanzenbau/pflanzenernaehrung/dlg-kompakt-1-2018-biostimulanzien - EBERT, G., 2020: Biostimulanzien - Innovative Produkte für den Pflanzenbau. Handout Virtuelles Symposium Biostimulanzien, IVA 2020.
www.iva.de/sites/default/files/pdfs/symposium_2020_ebert.pdf - EBERT, G., 2019: Biostimulanzien – Natürliche Wirkstoffe für gesundes Pflanzenwachstum. Ulmer Verlag, Stuttgart, 156 S.
- FIDANZA, M., S. KOSTA, E. ERVIN and C. Bigelow, 2019: Plant biostimulants: Establishing standards. GCM 9-2019, www.gcmonline.com/research/news/biostimulants-turfgrass
- IVA, 2017: Biostimulanzien. www.iva.de/verband/biostimulanzien-fuer-hoehere-widerstandsfaehigkeit-qualitaet-und-ertraege-von-kulturpflanzen
- LEBANON, 2021: Biostimulants in the Turf World. LebanonTurf Blog, www.lebturfblog.com/biostimulants-in-the-turf-world/
- MÜLLER-BECK, K.G., 2019: Entwicklung von Standards für Biostimulanzien erforderlich. DRG Rasen-Thema November 2019. www.rasengesellschaft.de/rasenthema-detailansicht/november-2019-698.html