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Rasenthema: Juli 2024

Autor: Dr. Klaus Müller-Beck, Ehrenmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V.


Rasen-Fetzen ein Zeichen für geringe Scherfestigkeit beim Strapazierrasen

 

Einleitung

Neben den Spielergebnissen der beteiligten Turniermannschaften bei der EURO 2024, stand während der Vorrunde verschiedentlich die Qualität der Rasenflächen im Fokus der Betrachter. Dabei spielt die Optik für die Fernsehübertragungen eine wichtige Rolle bei der Bewertung. Für die Spieler kommt es jedoch bei der Rasennarbe auf die Standfestigkeit und den „Gliding-Effekt“ des Balles an.
Im Handbuch für das Greenkeeping (DFL, 2022) heißt es: „Die Qualität der Rasennarbe wird nicht nur durch den Farbaspekt und die Narbendichte, sondern in hohem Maße auch durch die Scherfestigkeit bestimmt. Die Scherfestigkeit wird durch die Zusammensetzung, den Feuchtegehalt und die Wasserdurchlässigkeit der Rasentragschicht, die Filzbildung an deren Oberfläche sowie die Narbendichte und Durchwurzelung beeinflusst.“

Bei den Spielen in der Frankfurter Arena konnten die Fernsehzuschauer beobachten, dass es mit der Standfestigkeit mancher Spieler nicht gut bestellt war; denn sie rutschten aus. Beim Abstoppen, bzw. bei Richtungsänderungen oder beim Grätschen flogen des Öfteren Teile des Rasens als Fetzen umher.
Dies ist umso erstaunlicher, da für den Qualitätscheck der Rasenflächen in den EM-Stadien spezielle Prüfverfahren zur Scherfestigkeit durch die UEFA vorgegeben waren (MÜLLER-BECK, 2024).

 

Rasen-Fetzen in der Frankfurter EM-Arena: Momentaufnahme aus dem EM-Spiel Dänemark gegen England am 20.6.2024.
Abb. 1: Rasen-Fetzen in der Frankfurter EM-Arena: Momentaufnahme aus dem EM-Spiel Dänemark
gegen England am 20.6.2024. (Frankfurter Rundschau/ Bild © dpa)

 

Gräser bilden die Belagsart Rasen

Der Naturrasen liefert einen „Spielbelag“ aus einer Pflanzendecke, die einerseits den Tritt der Fußballstollen verträgt, andererseits aber eine ausreichende Scherfestigkeit aufweisen muss, damit die Spieler einen festen Stand behalten. Bei den Gräsern für den Fußballrasen haben sich die Arten Lolium perenne (Deutsches Weidelgras) und Poa pratensis (Wiesenrispe) aufgrund ihrer Wurzelmorphologie bestens bewährt. Je nach Witterungsbedingungen verändern sich die Eigenschaften des Rasens (feucht /trocken oder hart/weich), sodass bei der Nutzung für das jeweilige Spiel die am besten geeigneten Schuhvarianten ausgewählt werden müssen.

 

Einstufung einiger Eigenschaften (Abnutzungs-Toleranz/ Bodenverdichtungs-Toleranz) ausgewählter Gräserarten bei der Nutzung im Strapazierasen.
Tab. 1: Einstufung einiger Eigenschaften (Abnutzungs-Toleranz/ Bodenverdichtungs-Toleranz) ausgewählter
Gräserarten bei der Nutzung im Strapazierasen. (CARROW, 1995; Bearbeitung MÜLLER-BECK)

 

Schuhwerk von großer Bedeutung

Im Hinblick auf die Standfestigkeit stellt in jedem Falle die Wahl des richtigen Schuhwerks eine besondere Herausforderung dar. Die Beschaffenheit der Sohle eines Fußballschuhs ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung; denn zahlreiche Varianten von Stollen- oder Nockenschuhen stehen den Fußball-Spielern zur Verfügung. Sie unterscheiden sich durch Material, Größe, Länge, Anzahl und Anordnung der Nocken und Stollen. So bieten sich Stollenschuhe eher für rutschige Rasenflächen an (SG-Sohle = Soft Ground). Insbesondere bei der Verwendung von Schraubstollen in unterschiedlichen Materialien (Gummi, Keramik, Aluminium, Kunststoff), kommt es auf die richtige Kombination an.
Bei festem Untergrund kommt die FG-Sohle = Firm Ground zum Einsatz. Die AG-Sohle = Artificial Ground ist für den Kunststoffrasen vorgesehen. Eine MG-Sohle = Multi Ground, ist durch die Kombination der Nocken für unterschiedliche Belagsarten geeignet, somit auch für den Hybridrasen (SPORTCHECK, 2024).
In der Aufwärmphase vor dem Spiel erhalten die Spieler letztmalig die Möglichkeit, abhängig vom Rasen- und Bodenzustand, das richtige Schuhwerk auszuwählen (MÜLLER-BECK, 2018).

Muster für MG-Sohle Nike.
Abb. 2: Muster für MG-Sohle Nike.

Muster für MG-Sohle Adidas.
Abb. 3: Muster für MG-Sohle Adidas.
Fotos (K.G. Müller-Beck)

 

Scherfestigkeit und Drehwiderstand

Zur Messung der Scherfestigkeit einer Rasennarbe wurden in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Flügelsonden bzw. Stollenschergeräte getestet und eingesetzt.
Zur Beurteilung der Kräfte, die beim Grätschen eines Fußballspielers auf die Rasennarbe ausgeübt werden, gibt es bisher keine klar definierten Messgeräte, mit denen Serienuntersuchungen durchgeführt wurden. An verschiedenen Instituten werden neue Konstruktionen entwickelt, um reproduzierbare und auswertbare Daten für den Vergleich unterschiedlicher Rasensysteme zu ermitteln. Aktuell wird die Scherfestigkeit des Rasens mittels einer Flügelsonde bestimmt.

 

Realisierung: GEONOR Flügelsonde, Typ H-60, Hand-Held Vane Tester. Geonor AS, NO-1361 Osteras (DFL, 2022)
Abb. 4: Realisierung: GEONOR Flügelsonde, Typ H-60, Hand-Held Vane Tester. Geonor AS, NO-1361
Osteras (DFL, 2022)

Reale Darstellung eines leichten Drehwiderstandsgerätes (Quellen: DFL, 2022; FIFA Quality Programme for Natural Playing Surfaces Test Manual, Oliver Schneider)
Abb. 5: Reale Darstellung eines leichten Drehwiderstandsgerätes
(Quellen: DFL, 2022; FIFA Quality Programme for Natural Playing Surfaces Test Manual, Oliver Schneider)

 

In den Stadien der Bundesliga und 2. Bundesliga wird inzwischen ergänzend zur Flügelsonde der Drehwiderstand analog zur FIFA NPS Testmethode 06 ermittelt.
In der Zukunft soll die Bestimmung des Drehwiderstands die Messung der Scherfestigkeit per Flügelsonde ersetzen (DFL, 2022).

 

Neu-Entwicklungen zur Prüfung von „Divots“ auf der Rasenfläche

Aus den Erfahrungen und den Beobachtungen der Einwirkung von Fußballstollen auf die Rasennarbe im tatsächlichen Spielbetrieb, wurde am ILOS (Institut für Landschaftsbau Sportfreianlagen und Grünflächen der HS Osnabrück) im Rahmen von Rasenforschungsarbeiten der Prototyp eines Divot-Makers mit dem Namen „Osnafoot“ entwickelt (LAWSON, 2017).

 

Prototyp des mobilen Divot-Makers „Osnafoot“ in der Dreipunkthydraulik des Pflegeschleppers.
Abb. 6: Prototyp des mobilen Divot-Makers „Osnafoot“ in der Dreipunkthydraulik des Pflegeschleppers.
(Foto: LAWSON, 2017)

Narbenschaden nach Einsatz des Osnafoot-Gerätes.
Abb. 7: Narbenschaden nach Einsatz des Osnafoot-Gerätes.
Auswertung der Divot-Größe mit der Sigma-Scan-Methode.
Abb. 8: Auswertung der Divot-Größe mit der Sigma-Scan-Methode.
(Foto: THIEME-HACK, 2018).

 

Erste Untersuchungen mit dem „Osnafoot“-Gerät konnten bereits im Rahmen von laufenden Forschungsprojekten an der Hochschule Osnabrück durchgeführt werden. Dabei ergaben sich interessante Ergebnisse bezüglich Wechselwirkungen zwischen Narbendichte und Zusammensetzung der Rasentragschicht (MÜLLER-BECK, 2018).

Die Autoren THOMSON et al. (2022), berichten über eine interessante Vergleichsstudie zur Einwirkung verschiedener Fußballschuhe auf die Rasennarbe eines Hybridrasens im Vergleich zu einem natürlichen Rasenplatz. Dabei kam als Divot-Maker ein neuartiges, mobiles Testgerät, mit der Möglichkeit zur Aufnahme verschiedener Schuhvarianten, zum Einsatz.

 

Fazit

Die Ermittlung geeigneter Daten zur Bewertung von Rasenflächen als Spielbelag für den Fußballsport steht erst am Anfang. Es erscheint wichtig, zukünftig die pflanzenbaulichen Leistungen der Gräser insbesondere im Jahresrhythmus zu berücksichtigen, damit z.B. beim Austausch von Rasenflächen auch die Wachstumsbedingungen passen.
Messbare Parameter zur Rasenqualität, wie Oberflächenhärte oder Scher- und Drehwiderstand der Rasennarbe sollten verstärkt bei der Auswahl geeigneter Pflegekonzepte berücksichtigt werden. Auf diese Weise lassen sich dann die Anforderungen an den Spielbelag Rasen im Sinne der Vermeidung von Spielerverletzungen und im Sinne eines regelgerechten Spiels optimieren.

 

Literatur:

 

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