Rasenthema: Juli 2022
Autor: Max Pieper, B. Eng. GC St. Leon-Rot
Bearbeitung: Dr. Klaus Müller-Beck, Ehrenmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V.
Wachstumsbedingungen für heimische Bermudagrass-Ökotypen
Seit einiger Zeit wird verstärkt die Frage nach der Verwendung von Warmzonen-Gräsern in unseren Breitengraden gestellt. Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule Geisenheim University hat sich der Autor mit der Entwicklung von Ökotypen der Grasart Cynodon dactylon (Bermudagrass) an vier Standorten in Südwest-Deutschland beschäftigt.
Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Rasen-Turf-Gazon, 2-2022 veröffentlicht (PIEPER, et al., 2022). In diesem Beitrag sollen die grundsätzlichen Kriterien zu dieser Grasart dargestellt werden.
Abb. 1: Standorte der Versuchsflächen zur Beobachtung von
vier Bermudagrass-Ökotypen via Google Maps (bearbeitet, PIEPER, 2022).
Warmzonen-Gräser sind an höhere Temperaturen angepasst
Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Mitteleuropa deutlich sichtbar geworden. Ausdauernde Hitzeperioden, langanhaltende Dürrephasen, Starkregenereignisse, milde Winter, häufigere Spätfrostereignisse beeinflussen Pflanzen, Tiere und Menschen und stellen diese vor neue Herausforderungen. Besonders die an kühlere Sommertemperaturen, gleichmäßigere Wasserversorgung oder an kältere Winter angepasste einheimische Vegetation hat unter den veränderten Gegebenheiten zunehmende Anpassungsschwierigkeiten, z. B. bei ihrer Wasserhaushaltregulierung.
Bei den in Mitteleuropa verbreiteten, heimischen Gräsern handelt es sich um Kaltzonen-Gräser (Cool Season Grasses), die aufgrund ihres Fotosynthesewegs auch als C3-Gräser bezeichnet werden. Diese Pflanzen können beide Fotosyntheseschritte, die Dunkel- und die Lichtreaktion, nur gleichzeitig durchführen. Sie müssen also am Tag, bei Helligkeit die Stomata öffnen, um den notwendigen Gasaustausch zu vollziehen. An heißen Tagen verdunsten die Pflanzen dabei viel Wasser.
Abb. 2: Blütenstände des Bermudagrass (Cynodon dactylon). (Foto J. MORHARD, 2003)
Die in semiariden oder tropischen Regionen heimischen Gräser, haben einen alternativen Fotosyntheseweg entwickelt, der wesentlich wassersparender ist (HARVANDI et al., 2009). Diese Warmzonen-Gräser (Warm Season Grasses) haben grundsätzlich ein höheres Temperaturoptimum und sind trocken- und hitzestressverträglicher. Sie haben eine Technik entwickelt, bei der die Hell- und Dunkelreaktionen entkoppelt sind. Nachts läuft die Dunkelreaktion mit der Bindung von Kohlendioxyd (CO2) und der Abgabe des Sauerstoffs (O2) ab. Da ist es kühler und sie verlieren somit weniger Wasser. Der Kohlenstoff wird an einem C3-Körper zu einem C4-Körper verbunden und so werden diese Gräser als C4-Gräser bezeichnet.
Da sie ihre Stomata für die Lichtreaktion am Tag geschlossen halten können, haben diese Pflanzen im Vergleich zu den Kaltzonengräsern einen geringeren Wasserbedarf (HARIVANDI et al., 2009). Im Gegenzug haben sie jedoch eine geringere Toleranz gegenüber Schatten und kühleren Temperaturen.
Durch den Klimawandel verursachte Standortänderungen könnten zukünftig den C4-Gräsern in Mitteleuropa einen Konkurrenzvorteil bringen, was beispielhaft am Bermudagras im Rahmen der Bachelorthesis untersucht wurde.
Bermudagrass gewinnt an Boden
Das Hundszahngras (Cynodon dactylon) ist im Rasen international unter dem Namen „Bermudagrass“ bekannt. Das sich durch Ausläufer ausbreitende Gras wurde höchstwahrscheinlich in Europa eingeschleppt und zuerst im Jahr 1688 in England zwischen Penzance und Marazion von John Ray gefunden (HUBBARD, 1985). In Deutschland wurde es erstmalig 1712 im Rheingau beschrieben (NEHRING, 2013).
Das Bermudagrass ist eine mehrjährige Pflanze mit einer Höhe von 20 bis 40 cm, dass unterirdische sowie oberirdische Seitentriebe ausbilden kann. Der sehr dünne glatte Halm ist am Grunde gebogen oder wächst aufrecht. Das Gras bevorzugt trockene, feinkörnige und sandige, drainagefähige, nährstoffreiche, kalkhaltige oder saure Böden. An warmen und sonnenexponierten Standorten, bei einer Temperatur ab 24 °C und einem pH-Wert von 5.5 bis 7.5, kann die Art am besten wachsen (WOHLERS, 2021).
Abb. 3: Ausläufer des Geisenheim Bermudagrass-Ökotyps mit bewurzelten Nodien.
Foto: (K.G. Müller-Beck)
Das Bermudagrass ist eines der wichtigsten Rasengräser weltweit und wird intensiv züchterisch bearbeitet. Es gilt derzeit als das einzige Warmzonen-Rasengras, das natürlicherweise in Deutschland und Österreich vorkommt. Die neuesten Züchtungen der Art weisen höhere Toleranzen gegenüber kühleren Temperaturen, eine höhere Narbendichte und feinere Blätter auf. SCHULZ (2002) sieht bereits die Möglichkeit, dass Kaltzonen-Gräser bei zunehmender Temperatur in ihrer Entwicklung geschwächt werden und durch Warmzonen-Gräser verdrängt werden könnten.
Inzwischen hat sich das Bermudagrass in Zeiten des Klimawandels und der daraus resultierenden Erwärmung mit langen Trockenphasen zunehmend verbreitet. Es konnte sich in Deutschland als Neobiota etablieren (KLEINKNECHT u. GLINKA, 2015). Eine überregionale Verbreitung erfolgt vermutlich in erster Linie über Samen. Lokal breitet sich die Art jedoch stark über eine intensive vegetative Ausläuferbildung aus, sodass größere Flächen erschlossen werden.
Bermudagrass-Rasenflächen
In Kultur werden die Rasenflächen in der Regel vegetativ angelegt. Dabei kommen einerseits Rasensoden zum Einsatz, andererseits werden sogenannte „Sprigs“ eingepflanzt, das sind abgeschälte Ausläufer (6 bis 10 cm Länge), die sich an den Nodien bewurzeln und austreiben. Erst in jüngerer Zeit wird vom Handel Saatgut von verschiedenen Bermudagrass-Sorten für die Rasenanlage angeboten. Neben der Etablierungsphase zu Beginn der Kultur, bei der die Fläche gleichmäßig feucht gehalten werden muss, zählt das sogenannte „Overseeding“ mit Kaltzonen-Gräsern vor der Winterdormanz zu den herausfordernden Kulturmaßnahmen beim Bermudagrass-Rasen.
Abb. 4: „Dormant“ Bermudagrass (Vordergrund braun) in der
DLF-Versuchsanlage Les Alleuds bei Angers (F). Testreihen mit
verschiedenen „Overseeding“-Varianten zur Erhaltung des
Rasenaspektes während der Wintermonate. (MÜLLER-BECK, 2010)
Reaktionen auf Temperaturschwankungen und Spätfrostgefahr
Um die kalte Winterphase zu überleben, legt das Gras von Oktober bis zum Frühjahr eine Winterruhe ein, die auch Dormanz genannt wird (DUBLE, 2001). Bei Tagestemperaturen unterhalb von ca. 17 °C kommt das Wachstum der Triebe und Blätter zum Erliegen und die Gräser gehen in die Dormanz über (CEBECO ZADEN, 1993). Die charakteristische Braunfärbung der Blätter setzt unterhalb von 10 °C ein. Ein Sprosswachstum ist nun nicht mehr möglich und die Blätter sterben ab. Nährstoffe und Kohlenhydrate werden in den Ausläufern und den basalen Pflanzenteilen bis zum Beginn des Wiederaustriebs gespeichert.
So stellen für das tropische Bermudagrass auch mitteleuropäische Wintertemperaturen weit unter dem Gefrierpunkt in der Dormanz-Phase kein Problem dar. Spätfrostereignisse nach Ende der Dormanz und dem beginnendem Wiederaustrieb stellen eines der größten Risiken für das Überleben der Art nördlich der Alpen dar. Die Folgen von einem starken Spätfrostereignis kann vom Absterben einzelner Pflanzenteile bis zum Totalausfall einzelner Pflanzen bzw. ganzer Kolonien reichen.
Ein derartig massives Ereignis trat zuletzt Ende April 2017 ein. Nach mildem Winter und warmen März trieben die angebauten Bermudagrass-Rasensorten spanischer Herkunft in einem kleinen Arten- und Sortenversuch an der Hochschule Geisenheim alle gut aus. Zwei darauffolgende Nächte mit -5 °C Lufttemperatur, ließen alle Varianten vollständig absterben. Nach Auffassung einiger Experten macht es deshalb keinen Sinn, mit dem in Südeuropa verwendeten Sortenmaterial nördlich der Alpen zu arbeiten.
Der in Geisenheim im Hochschulpark weit verbreitete Ökotyp, (Abbildung 3), überlebte jedoch und wuchs nach drei Tagen weiter. Dies zeigt die besondere Anpassung der regionalen Ökotypen in Deutschland, die somit ein großes Potenzial für die Pflanzenverwendung darstellen könnten.
Quellenhinweise:
- CEBECO ZADEN, B.V., 1993: Cebecompass on seeds.
- DUBLE, R.L, 2001: Turfgrasses: Their Management and Use in the Southern Zone, Second Edition, 323 S.
- HARIVANDI, M. A., J. BAIRD, J. HARTIN, M. HENRY und D. SHAW, 2009: Managing Turfgrasses during Drought. Publication 8395, University of California, Kalifornien, 1, 4, 3-6.
- HUBBARD, C. E, 1985: Gräser. 2. Auflage, UTB Ulmer, Stuttgart, 363.
- KLEINKNECHT, U und U. GLINKA, 2015: Offizieller Artensteckbrief des LfULG
www.artensteckbrief.de/?ID_Art=1514&BL=20012 - MÜLLER-BECK, K.G., 2010: WM-Rasen 2010 in Südafrika mit „Warm und Cool Season Grasses“. Rasenthema April.
www.rasengesellschaft.de/rasenthema-detailansicht/rasenthema-april-2010.html - MORHARD, J., 2003: Idealer Sommer für "Bermudagrass"? Rasenthema Oktober.
www.rasengesellschaft.de/rasenthema-detailansicht/rasenthema-oktober-2003.html - NEHRING, S., I. KOWARIK, W. RABITSCH und F. ESSL (Hrsg.), 2013: Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen.
BfN-Skripten 352. - PIEPER, M., 2022: Phänologische Untersuchung des Wachstums von vier Bermudagrass-Ökotypen (Cynodon dactylon) an den natürlichen Standorten unter dem Einfluss von Stickstoff-Düngung und Schnitt. Bachelorarbeit Hochschule Geisenheim University.
- PIEPER, M., M. BOCKSCH und A. von BIRGELEN, 2022: Welche Auswirkungen haben Stickstoff-Düngung und Schnitt auf das Wachstum von vier heimischen Bermudagrass-Ökotypen? Rasen Turf Gazon 2-2022.
- PRÄMASSING, W, 2016: Golfmanager online, Greenkeeper Verband Deutschland e.V., Wiesbaden.
- SCHULZ, H., 2002: Persönliche Mitteilung Dr. Schulz an Prof. Martin Bocksch.
- WOHLERS, W., 2021: Offene Naturführer. Pflanzenportraits.
https://offene-naturfuehrer.de/web/Cynodon_dactylon_%E2%80%93_Hundszahngras_(JKI-Pflanzenportraits)
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