„Mähfreier Mai“ – Was bedeutet “No Mow May” für den Rasen
Autor: Prof. Martin Bocksch, Vorstandsmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V.
„Mähfreier Mai” was bedeutet das?
Trotz eines gewissen Medienrummels haben noch nicht viele Rasenbesitzer von der Aktion mähfreier Mai etwas mitbekommen, wie eine Umfrage kürzlich zeigte. Und das ist vielleicht auch ganz gut so. Schützt es doch zumindest viele vor möglichen Enttäuschungen, aufgrund falscher, geweckter Erwartungen.
Als langjähriger Rasenfachmann stellt Prof. Martin Bocksch, von der Geisenheim University, einige Fakten und Auswirkungen eines veränderten Mährhythmus in diesem Beitrag zusammen.
Abb. 1: Abgrenzung Kurzschnittrasen und Wiesenaufwuchs. (Foto: K.G. Müller-Beck)
Hintergrund und Erläuterungen
Woher kommt diese Idee und was bedeutet „no mow may“? Angeblich haben es die Engländer erfunden, daher wohl auch der Anglizismus. Frei übersetzt heißt es „Kein Rasenmähen im Mai“ oder kürzer „Mähfreier Mai“. Aber so bekannt ist die Aktion scheinbar doch noch nicht. Immerhin gaben fast zwei Drittel der beim „STIHL Garten-Barometer 2024“ Befragten (63 %) an, dass ihnen die Aktion "No Mow May" bislang unbekannt ist.
Ausgerechnet im Mai, der Monat in dem unsere Rasengräser ihr stärkstes Wachstum im ganzen Jahr zeigen, soll der Rasen nicht gemäht werden. Hintergrund: Die ebenfalls in vielen Rasenflächen wachsenden Bei- oder Unkräuter sollen auch aufwachsen und zur Blüte kommen. Davon sollen dann primär Insekten – sowohl die Adulten als auch Larven – profitieren und in der Folge auch Singvögel etc.
So weit so klar und scheinbar logisch. Das Leben sieht jedoch oft anders aus.
Vielfach wird es eben nicht bunt. Wie auch, wenn sich der Rasenbesitzer stets um einen dichten, unkrautfreien Rasen bemüht hat? Dann wächst das Gras hoch – aber blühen tut nix außer den Gräsern.
Abb. 2: Nach Aufwuchs muss Schnitthöhe stufenweise angepasst werden. (Foto. K.G. Müller-Beck)
Wenn das Gras hoch aufwächst, kann der Rasen nicht mehr für Spiel oder andere Aktivitäten betreten und genutzt werden. Das sollte man bei seinen Planungen bedenken.
Und was ist am Ende des Monats? Da steht oder liegt bereits mehr, eine dichte, hoch aufgewachsene, lange Grasmatte. Wie wird man die wieder los? Darüber habe ich noch nirgends etwas gelesen! Der normale Rasenmäher scheidet in jedem Fall aus. Ja es erinnert mich vieles an den berühmten Zauberlehrling: Herr, ich werde sie nicht mehr los, die Geister die ich rief!“ Dazu braucht es nun einen Balkenmäher oder eine Sense, zur Not die Motorsense. Letztere oder gar einen Balkenmäher nennen jedoch nur die Wenigsten ihr Eigen. Wozu auch in einem durchschnittlichen Stadtgarten? Und wer kann heute noch mit der klassischen Sense, die noch bei einigen in der Garage hängt, umgehen?
Angepasste Schnitthöhe führt zu Gewöhnungseffekt
Wichtig ist es auch die Schnitthöhe anzupassen. Unsere Rasengräser haben sich nämlich an den regelmäßigen Schnitt auf die gleiche Schnitthöhe gewöhnt und angepasst. Unterbleibt dieser, lagern sie ihre Reservestoffe höher im Stängel am Triebgrund ein. Daher wird Grünland auch immer auf 8 – 10 cm Höhe gemäht. Nur so bleiben die Reserven erhalten und ermöglichen einen schnellen Nachwuchs und damit Regeneration. Das gilt auch für den Rasen.
Wurde der – wegen dem „Mähfreien Mai“ oder profaner „Drei Wochen Mallorca“ – nicht gemäht, dann muss man mit hohen Schnitthöhen die Gräser wieder langsam an den Schnitt gewöhnen. Die Nährstoffe werden in der Folge mit sinkender Schnitthöhe wieder sukzessive nach unten verlagert. Und dann – alles wurde beachtet – bleiben große Grashaufen liegen. Die kann man zu gutem Heu trocknen lassen (wenn das Wetter mitspielt). Aber wer braucht schon so viel Heu heutzutage? Also entsorgen und da wird es nun spannend, denn frischer Grasschnitt wird wegen der Gefahr der Bildung nährstoffreicher Sickersäfte nicht überall angenommen und gilt in der Regel als „Sondermüll“. Vielleicht haben Sie einen Bauern oder eine Biogasanlage in der Nähe die sich eventuell darüber freuen. Aber ganz wichtig – vom Rasen muss das Mähgut runter, sonst verschwinden die wichtigen, feinen, schwachen Rasengräser aus der Rasennarbe.
Blumenrasen oder „sowohl als auch“
Nun ist es nicht so, dass ich den Hintergrund der Idee nicht nachvollziehen könnte. Ganz im Gegenteil! Aber bitte mit Sinn und Verstand und da wo es passt.
Abb. 3: Artenreicher Rasen als Fußballplatz ist eher ungeeignet. (Foto: M. Bocksch)
Wir Menschen wollen, ja sollen unseren Bewegungsdrang ausleben. Gerade Kinder, wird immer wieder beklagt, bewegen sich viel zu wenig. Wo sollen sie sich jedoch bewegen, wenn nicht auf gemähten, dichten, vitalen Rasenflächen, auf denen sie ohne Verletzungsrisiko auch fallen können? Im eigenen Garten aber noch viel wichtiger in Parks und auf anderen öffentlichen, begehbaren Rasenflächen. Eine Blumenwiese oder schon ein Blumenrasen ist keine Fläche auf der gerne getobt wird. Und auch die Blumen tolerieren diese Art der Belastung nicht. Aber zwischen Blumenwiese und Musterrasen gibt es noch einige Graustufen. Und diese sollten wir nutzen.
Wenn jemand also einen leicht verunkrauteten, pardon bunten, Rasen hat, warum denn nicht, wenn die übrige Situation und der Standort passen. Einen ganzen Monat jedoch nicht zu mähen, könnten diese Kräuter und Blumen übelnehmen. Denn die haben sich auch an den regelmäßigen Schnitt gewöhnt und benötigen ihn oftmals sogar, um die Konkurrenz der Gräser zu drosseln. Die Blüten wachsen schnell wieder nach. Wenn sie nun von den Gräsern überholt und überwachsen werden, könnten sie durch die Beschattung Schaden nehmen. Also ist ein sporadisches Weitermähen – gerade im wüchsigen Mai – für diese oft schönen, bunten und niedrigen Blumenrasen sinnvoller. Bei Trockenheit im Sommer geht das Wachstum dann von ganz allein zurück und es kann auf das Mähen verzichtet werden.
Oder es geht beides – sowohl als auch – hier gemähter, nutz- und begehbarer Rasen und dort blühende Blumeninseln!
Blumeninseln ungemäht
Also, warum nicht einen Rasen mähen, aber eine oder zwei Inseln mit Wildblumen darin anlegen. Überall ist das ohnehin nicht machbar, denn Wildblumen sind in der Regel Sonnenliebhaber und im Schatten sind die meisten Ansaaten zum Scheitern verurteilt. Auch gleich am Gartentor ist sicher kein guter Platz dafür. Aber er wird sich finden und so können Sie das eine mit dem anderen verbinden.
Einen etablierten, dichten Rasen in eine Wildblumenwiese umzuwandeln ist aus meiner Sicht nicht möglich und auch nicht zielführend. Hier muss die Grassode abgetragen werden, was eine klar umrissene Fläche ergibt.
Bleiben die Inseln über den Winter stehen dienen sie den Singvögeln im Winter als Nahrungsquelle, Insekten die ihre Eier an die Pflanzen angeheftet haben überwintern sicher und können sich im Frühjahr entwickeln. Gleiches gilt für die Insekten, die sich nach einer langen Zeit als Raupe zum Verpuppen und überwintern daran gehängt haben – mehr als sie denken!
In den offenen, hoch aufgewachsenen Pflanzenbeständen überwintern gerne Insekten, aber auch andere Kleinsäugetiere und Amphibien.
Abb. 4: Langfristige Entwicklung zum artenreichen Kräuterrasen. (Foto: K.G. Müller-Beck)
Wildblumenwiese erfordert Standortvoraussetzungen
Für eine Wildblumenwiese sollte der Boden mit Sand oder Kies abgemagert und anschließend eingesät werden. Mischungen ohne Gräser sind immer vorzuziehen. Gras wächst in einem Rasen von ganz allein hinein. Der optimale Ansaattermin ist der Frühherbst (September). Für einjährige Blumenmischungen muss der Boden nicht abgemagert werden. Im Gegenteil kann eine leichte Düngergabe nach dem Etablieren der Pflanzen für eine üppigere Blüte sorgen. Optimaler Aussaattermin für solche einjährigen Mischungen (sie sind in der Regel immer ohne Gräser) ist je nach Klimaraum April bis Mai. Wichtig, bei früher Trockenheit müssen die Keimlinge kontinuierlich mit Wasser versorgt werden. Also eventuell mehrmals täglich leicht überbrausen oder mit einem Vlies abdecken oder ganz dünn mit kurzem Rasenschnittgut überstreuen, um die Verdunstung zu reduzieren. Bewässert werden muss dann trotzdem noch täglich.
Die Blüte beider Mischungen können Sie intensivieren, indem Sie nach dem Aufwachsen der Pflanzen auf ca. 15 cm einen oder zwei Schnitte mit dem Rasenmäher auf höchster Stufe durchführen. Dabei werden unerwünschte Konkurrenten entfernt und die Seitentriebbildung der Blühpflanzen angeregt. Und statt eines Triebes wachsen zwei, drei oder gar vier Triebe auf und bilden ihre Blüten.
Quellenhinweise:
- Deutsche Wildtierstiftung, 2024: Was bringt der Trend "Mähfreier Mai"? - Mehr Lebensraum für Insekten und ein besseres Mikroklima; Pressemitteilung Hamburg, 25.04.2024; www.DeutscheWildtierStiftung.de, www.presseportal.de/pm/37587/5765341
- ANDREAS STIHL AG & Co. KG, 2024: „STIHL Garten-Barometer 2024“ - Ordnung im Garten? Nicht um jeden Preis! Pressemitteilung Waiblingen, 26.03.2024. www.presseportal.de/pm/64484/5743986
- BOCKSCH, M., 2024: Den Rasen fit und zukunftsfähig machen. NEUE LANDSCHAFT, Ausgabe 04-2024, Seiten 52 - 55