AKTUELLES

„Verwendung von Rasengräsern im Zeichen der Klimaveränderungen“

Vortragsreihe anlässlich 123. DRG Rasenseminar in Geisenheim
Bericht Teil 2

Autoren:
Prof. Martin Bocksch, Vorstandsmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V. Dr. Klaus Müller-Beck, Ehrenmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V.

 

Aufschlussreiche Referate*

Nach der bemerkenswerten Exkursion am ersten Seminartag am Standort Geisenheim (s. hierzu Bericht Aktuelles), trafen sich die Teilnehmer des 123. DRG-Rasenseminars am 27.9.2016 im Hörsaal 10 der Villa Monrepos auf dem Campus der Hochschule Geisenheim University zu vier überzeugenden Vorträgen zum Themenkomplex „Klimaveränderungen“.

*) Für die DRG-Mitglieder stehen die Vortrags-Handouts zum Download im Login-Bereich zur Verfügung.

 

Klimawandel und seine Folgen in Hessen

Den Reigen eröffnete Frau Susanne Schroth, vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). In ihrem einführenden Vortrag stellte sie die Auswirkungen des Klimawandels zunächst generell dar, um dann auf Besonderheiten für Hessen einzugehen.

Klimadaten beziehen sich auf Mittelwerte (mindestens 30 Jahre), Schwankungsbreiten und Extremwerte.  Klimawandel bedeutet daher Veränderungen der aktuellen Werte gegenüber einem solchen langjährigen Mittelwert.
Der Sommer 2016 kann hier als typisch ungewöhnlich angesehen werden. Zuerst Starkregen mit Überschwemmungen, dann das „Tief-Mitteleuropa“ mit Trockenheit. Ein ständiger Wechsel zwischen zu nass und zu trocken. Im Mittel über den ganzen Sommer sind alle Werte jedoch wieder „ganz normal“, wenn auch ca. 1,5 °C zu warm.

Klimawandel ist jedoch ein global zu betrachtendes Phänomen. Anhand einer interessanten Darstellung der Entwicklung der weltweiten Durchschnittstemperatur wurde das beeindruckend deutlich.

 

Referentin Susanne Schroth
Abb. 1: Referentin Susanne Schroth vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG).
(Alle Fotos: Dr. Klaus Müller-Beck)

Modellbetrachtungen zur Temperaturentwicklung
Abb. 2: Modellbetrachtungen zur Temperaturentwicklung in Abhängigkeit vom CO2-Gehalt. Quelle: Vortrag S. Schroth, 123. DRG-Seminar.

 

Für Hessen bedeutet das insbesondere einen stärkeren Temperaturanstieg im Frühjahr und Sommer bei gleichzeitiger Abnahme der Sommerniederschläge und Verlagerung in den Herbst.
Zukunftsprojektionen für Hessen, mit dem gemäßigten Klimamodell A1B berechnet, bringen für den Zeitraum 2071 – 2100 gegenüber dem gleichen Zeitraum vor 100 Jahren eine Temperaturerhöhung um 3,1 °C (Min. 1,9 ° - Max. 3,7 °C). Insbesondere die Sommer werden immer wärmer.
Gab es im Zeitraum 1971-2000 noch 6,1 Tage/Jahr mit Temp. >30 °C, waren es im Supersommer 2003 bereits 23 Tage, mit zum Teil verheerenden Folgen für die Wasserversorgung und die Gesundheit empfindlicher Personengruppen.

Für 2071-2100 prognostiziert das Modell 27,6 derartiger Hitzetage/Jahr, mit Temperaturen über 30 °C. Dazu werden die Sommer trockener (-20 % Niederschlag) und die Winter feuchter (+14 %). In der Folge werden sowohl Hoch- als auch Niedrigwassergefahr in Hessen steigen.

 

Physiologische Unterschiede zwischen „Warm- und Cool-Season Grasses“

Prof. Dr. Bernd Leinauer von der New Mexico State University, stellte die wichtigsten Warm-Zonen-Gräser (WZG) und deren physiologische Unterschiede zu den Kalt-Zonen-Gräsern (KZG) vor.
„WZG“ werden als „C4-Gräser“ bezeichnet, da sie CO2 durch eine Vorfixierung in den Mesophyllzellen aktiv anreichern (hier entsteht Oxalacetat = C4-Körper) und somit beim folgenden Calvin-Zyklus eine höhere Photosyntheserate erzielen. Dies ist  insbesondere bei Wassermangel und geschlossenen Stomata von Vorteil.
C4-Gräser sind daher den C3-Gräsern (KZG) ökophysiologisch in ariden Gebieten überlegen.

Die Etablierung und Verbreitung dieser Gräser erfolgt in erster Linie vegetativ.

 

Referent Prof. Dr. Bernd Leinauer
Abb. 3: Referent Prof. Dr. Bernd Leinauer, New Mexico State University, NMSU.

Einschätzung zur Verwendung von Warmzonengräsern in Deutschland
Abb. 4: Einschätzung zur Verwendung von Warmzonengräsern in Deutschland.
Quelle: Vortrag B. Leinauer, 123.DRG-Seminar.

 

Wichtige C4-Rasengräser.

  • Cynodon dactylon ssp. (Bermudagrass)
  • Zoysia japonica (Zoysiagrass)
  • Paspalum vaginatum (Seashore paspalum)
  • Bouteloua dactyloides (Buffalograss)
  • Distichlis spicata (Inland Saltgrass)
  • Stenotaphrum secundatum (St. Augustinegrass)
  • Eremochloa ophiuroides (Centipedegrass)

 

Das aktive Wachstum der „WZG“ beginnt bei >25 °C und der Wuchshabitus ist niedrig. „WZG“ haben ein tiefes Wurzelsystem, sind tiefschnittverträglicher, hitze- und trockenverträglicher und haben einen geringen Wasserbedarf. Sie sind aber weniger kältetolerant als „KZG“!
In Klimazonen, in denen die Gräser nicht ganzjährig vegetativ sind, z.B. Süd-Europa, gehen sie in der kühlen Jahreszeit in einen Ruhezustand über. Während dieser Dormanz verlieren die Gräser die grüne Farbe, sodass die Rasenflächen braun werden.
Für die Einschätzung der Dormanz gilt, je kältetoleranter ein „WZG“ ist, desto früher geht es die Vegetationsruhe.
„WZG“ werden stets in Monokultur und nie in Mischungen mit anderen Arten angebaut.

Charakteristisch für viele „WZG“ ist eine gute Salzverträglichkeit. Das liegt in erster Linie an der Fähigkeit, Salz über Salzdrüsen aktiv auf der Blattoberfläche auszuscheiden. Das Salz ist dann natürlich noch da und gelangt vom Blatt in den Boden und von dort möglicherweise wieder in die Pflanze. Aktives Auswaschen (leaching)  des Salzes in den Untergrund ist deshalb in regelmäßigen Abständen notwendig.
Begrenzend für die Verbreitung der „WZG“ ist die mangelnde Kältetoleranz.

Das Fazit lautete: Von den vorgestellten Warm-Zonen-Gräsern sind Bermudagrass (Cynodon dactylon), Zoysiagrass (Zoysia spp.), Büffelgras (Buchloe dactyloides oder synonym Bouteloua dactyloides) und Inland Saltgrass (Distichlis spicata) für einen Einsatz in Deutschland denkbar.

 

Ergebnisse aus den FACE-Versuchen in Gießen und Geisenheim

Prof. Dr. Otmar Löhnertz stellte erste Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus den FACE Versuchen in Gießen und Geisenheim vor. Das Kürzel FACE steht dabei für „Free Air Carbon Dioxide Enrichment“, weitere Erläuterungen siehe Bericht Teil 1 „DRG-Aktuelles“. 2015 wurde erstmalig ein Wert von 400 ppm CO2 in der Erdatmosphäre gemessen. In den FACE-Versuchsanlagen soll ein 20 % höherer Wert, 480 ppm, simuliert und die Auswirkungen auf die Ökosysteme untersucht werden.

Nach seinen Ausführungen nähert sich die Witterung im Rheingau mit der Durchschnitts-temperatur von 9,9°C und einem durchschnittlichen Niederschlagsmittel von 500 mm / Jahr mediterranen Verhältnissen. Das merken die Pflanzen und reagieren durch früheren Austrieb, Blüte und in der Folge auch Ernte, mit allen damit verbundenen Problemen wie z.B. steigender Spätfrostgefahr, Verfaulen reifer Früchte oder Angriffen neuer Schädlinge. Gerade bei Pflanzen wie Wein mit einer nur 160 – 180 Tage dauernden Vegetation machen sich bereits wenige Tage Veränderung massiv bemerkbar.

 

Referent Prof. Dr. Otmar Löhnertz
Abb. 5: Referent Prof. Dr. Otmar Löhnertz, Institut für Bodenkunde und Vizepräsident Lehre der Hochschule Geisenheim University.

Beispielbetrachtungen zur N-Mineralisierung in Abhängigkeit von der Bodentemperatur.
Abb. 6: Beispielbetrachtungen zur N-Mineralisierung in Abhängigkeit von der Bodentemperatur.
Quelle: Vortrag O. Löhnertz, 123.DRG-Seminar.

 

Die Zukunft wird dem Rheingau mehr Trockenheit im Sommer und vermehrte Niederschläge im Herbst bringen, die dann zu einer hohen Stickstoffmineralisierung im Boden führen. Dies führt zu späten Wachstumsschüben und fördert im Winter die Stickstoffauswaschung.

 

Erkenntnisse aus den bisherigen FACE-Versuchen in Gießen und Geisenheim:

  • Die Biomassebildung nimmt in Abhängigkeit von der Wasserversorgung stark zu.
  • Mehr CO2 in der Luft führt zu einer geringeren Wasserabgabe der Pflanzen, da die Stomata nicht so weit geöffnet werden.
  • Die Pflanzen bilden tendenziell eher mehr Stomata pro Flächeneinheit.
  • Das stärkere Wachstum, bzw. die Biomassebildung führt zu einem höheren Wasserverbrauch.

 

Auswirkungen hoher Temperaturen auf „Cool Season“ Gräser im Rasen

Zum Abschluss der Referate-Reihe lieferte der Vorsitzende der Deutschen Rasengesellschaft, Dr. Harald Nonn, einem umfassenden Überblick über die physiologischen Auswirkungen hoher Temperaturen auf unsere Kalt-Zonen-Gräser „KZG“. Bei seinen Ausführungen bezog er sich auf die klimatischen Auswirkungen, die für das Szenario A1B bis zum Jahr 2040 prognostiziert werden.

 

Referent Dr. Harald Nonn, Vorsitzender Deutsche Rasengesellschaft e.V..
Abb. 7: Referent Dr. Harald Nonn, Vorsitzender Deutsche Rasengesellschaft e.V..

Engerlinge des Purzelkäfers
Abb. 8: Verdunstungsraten wichtiger Rasengräser (C3- und C4-Gräser).
Quelle: Vortrag H. Nonn, 123.DRG-Seminar .

 

Dabei wird mit einem Temperaturanstieg, einer Niederschlagszunahme um 10 % und einem CO2 -Anstieg gerechnet.
Das führt in unseren „KZG“ zu einer verminderten Kohlenhydratbildung und dem Verbrauch von Reservestoffen. Steigende Bodentemperaturen führen des Weiteren zu einer verringerten Wasser- und Nährstoffaufnahme. Ausbleibende Cytokininbildung und Trockenschäden, wie beispielsweise dem „Summer Bentgrass Decline“.

Die Kalt-Zonen-Gräser reagieren unterschiedlich auf Trockenheit und Hitze. Dabei ist Hitzetoleranz nicht gleichbedeutend mit Trockentoleranz. Letztere hängt in besonderem Maße von der Wurzeltiefe, Wurzelmasse, Dormanzfähigkeit und dem Transpirationsverhalten ab. Pflanzen reagieren mit den verschiedensten Strategien auf zunehmende Trockenheit. Hierzu zählen u.a. das Einrollen der Blätter, die Entwicklung einer Wachsschicht oder die Ausbildung von Härchen auf der Blattoberfläche.

Neben baulichen Anpassungen bei der Rasentragschicht, sind eine angemessene Nährstoffversorgung mit Stickstoff und Kalium für die Rasengräser besonders wirksam.

In seinem Fazit Kommt Harald Nonn zu der Schlussfolgerung: „Es gibt keine generelle Lösung, um auf die Klimaveränderungen zu reagieren, es ist vielmehr die gesamte Breite der Pflegemaßnahmen für ein erfolgreiches Greenkeeping zu nutzen“!

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